Verurteilter Sexualstraftäter Karl D.:Ein anderes Gefängnis

Der verurteilte Sexualstraftäter Karl D. ist ins nordrhein-westfälische Heinsberg gezogen - die Einwohner laufen Sturm. Eindrücke und Bilder aus der Stadt.

Michael Bitala

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Der verurteilte Sexualstraftäter Karl D. ist ins nordrhein-westfälische Heinsberg gezogen - die Polizei sprach von einer "Gefahrenlage". Nun läuft die Bevölkerung Sturm: Jeden Tag demonstrieren Anwohner am Haus, in dem D. untergebracht ist - und immer mehr von ihnen äußern auch ganz direkte Drohungen. Eindrücke und Bilder aus der Stadt. Von Michael Bitala.

Ein entlassener Münchner Straftäter will nach Nordrhein-Westfalen ziehen - die Polizei spricht von einer "Gefahrenlage".

Es stürmt, es regnet, es ist kalt, und dennoch gibt es wieder die gleiche Szenerie wie jeden Tag. Seit eineinhalb Wochen geht das nun schon so. Es ist 18 Uhr.

Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

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Oben, im ersten Stock des Eckhauses, gleich neben dem Bahngleis, sind die Jalousien zugezogen. Es ist nur das Flackern eines Fernsehers zu sehen und diese handflächengroße Elchpuppe. Sie steht hinter der Scheibe des mittleren Fensters und hat einen Christbaum zwischen dem Geweih. Unten, in ungefähr 50 Meter Abstand zum Haus, drängeln sich Dutzende Demonstranten auf der Straße und frieren ebenso wie die Hundertschaft Polizisten, die sie auf Distanz halten sollen.

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Das Blaulicht von zehn Mannschaftsbussen spiegelt sich im nassen Asphalt, und bis auf ein paar Sirenen hin und wieder herrscht Ruhe. Es gibt keine Sprechchöre wie in den Tagen zuvor, es brennen keine Fackeln, und es fliegen auch keine Böller. Nur "Raus mit dem Kinderschänder" ist auf einem Transparent zu lesen, auf einem anderen heißt es: "Kinder sind unsere Zukunft. Wir müssen sie schützen."

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Wer in diesen Tagen im nordrhein-westfälischen Heinsberg, genauer gesagt im Ortsteil Randerath, mehr Schutz braucht, die Kinder oder Karl D., der sich hinter dem Fenster mit dem Christbaum-Elch verschanzt hat, ist schwer zu sagen.

Einige Demonstranten haben zumindest klare Vorstellungen, was sie mit dem 57-Jährigen machen würden, gäbe es diese Polizeipräsenz nicht.

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Karl D., so viel sei gesagt, würde den Zorn der Protestierer kaum unbeschädigt überstehen.

Arndt Misch ist einer der Demonstranten, und er hat aus seiner Sicht guten Grund dazu. Der Vater einer kleinen Tochter wohnt nur wenige Meter von Karl D. entfernt. Er sagt das, was alle Menschen hier im Ort sagen: Es könne doch nicht sein, dass ein als extrem gefährlich eingestufter Sexualverbrecher einfach herzieht, nur weil sein Bruder hier wohnt.

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In ein Dorf mit 1400 Einwohnern, das gerade mal über eine Hauptstraße, ein halbes Dutzend Querstraßen, eine Pizzeria, zwei Kirchen und drei Kneipen verfügt. "Und dann braucht es Hunderte Polizisten und eine 24-Stunden-Überwachung, damit er vor uns und wir vor ihm geschützt werden. Wo leben wir eigentlich?"

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Karl D. müsse verschwinden, so schnell wie möglich, sagt der 41-jährige Misch, und zwar nicht in einen anderen Ort, wo ja die Probleme wieder von vorne beginnen würden. "Der muss eingesperrt werden, ein Leben lang. Das sind wir den Opfern dieses Typen schuldig."

Haus des Bruders von Karl D. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

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Zwar neigen Menschen, wenn es um Sexualverbrechen geht, schnell zu Hysterie, aber Karl D. scheint wirklich ein besonderer Fall zu sein. Der Mann aus dem oberbayerischen Penzberg war 1984 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten wegen Vergewaltigung einer 15-Jährigen verurteilt worden. Nach seiner Haftentlassung vergewaltigte er wiederum zwei minderjährige Teenager und verstümmelte ihren Unterleib. Dafür saß er dann 14 Jahre im Gefängnis.

Haus des Bruders von Karl D. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

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Und als er Ende Februar aus der Justizvollzugsanstalt Straubing entlassen werden sollte, beantragte die Staatsanwaltschaft München nachträgliche Sicherungsverwahrung, weil er nicht nur jede Therapie in der Haft verweigert hatte, sondern ihm Gutachter auch Sadismus und eine sehr hohe Rückfallwahrscheinlichkeit attestiert haben. Das Landgericht München aber lehnte ab, Karl D. kam frei, zog am 1. März nach Randerath, weil nur sein dort lebender Bruder ihn aufnehmen wollte, und seitdem ist der kleine Ort nahe der holländischen Grenze bundesweit bekannt.

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Der Landrat von Heinsberg, Stephan Pusch (Bild Mitte), warnte nämlich sofort vor Karl D. In seiner Mitteilung an die Bürger heißt es: "Aufsehen erregten die Vergewaltigungsfälle durch das hohe Maß an Brutalität und Grausamkeit, mit der die Opfer misshandelt wurden." Als Chef der Kreispolizeibehörde ordnete Pusch auch die 24-Stunden-Überwachung an, und seitdem hängt in Kiosken und Kneipen das Konterfei von Karl D. mit der Warnung: "Passt auf Eure Kinder auf."

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Mit dem Recht auf Resozialisierung, das auch Karl D. nach insgesamt 20 Jahren Gefängnis zusteht, hat das jedenfalls nichts zu tun. Aber selbst Menschen, die sich von Amts wegen um alle Menschen sorgen, interessiert dieser Aspekt nicht. Die evangelische Pastorin von Randerath, Beate Dickmann, sagt: "Die Frage der Resozialisierung stellt sich gerade nicht. Zuerst geht es darum, dass man einen von offizieller Seite als so gefährlich eingestuften Menschen nicht in einen so kleinen Ort ziehen lassen kann." Ähnlich argumentieren auch der Ortsvorsteher und der Direktor der Grundschule, der in einem Elternbrief dazu aufgefordert hat, die Kinder nicht mehr alleine auf den Weg in den Unterricht zu schicken.

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Diese Verhaltensmaßnahmen regen natürlich alle auf. In der Bäckerei von Randerath sagt die Verkäuferin Kathrin Müller, die einen zehnjährigen Sohn hat: "Welche Freiheitsrechte werden denn eingeschränkt? Die von Karl D. oder die der Kinder? Die können nicht mehr allein auf der Straße spielen, die müssen permanent beaufsichtigt werden." Von den allabendlichen Demonstrationen hält sie sich aber wie viele andere im Dorf fern, allein schon, weil ihr die Parolen und Drohungen zu radikal sind.

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Zumindest derzeit geht von Karl D. keine Gefahr aus, er lebt ja weiterhin wie im Gefängnis. Er kann das Haus seines Bruders nicht verlassen, und deshalb beschwerte er sich in einem Interview mit Spiegel-TV auch darüber, dass er in der Haft wenigstens eine Stunde Freigang hatte.

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Dass er aber auch noch sagte, von ihm gehe keine Gefahr aus, er sei keine "Zeitbombe", hat die Menschen noch wütender gemacht. Bei den Demonstranten vor dem Haus gibt es zumindest kein anderes Thema. "Karl D. hat Mithäftlingen gesagt, dass er sich an seinen Opfern rächen will", sagt Arndt Misch und zitiert damit eine Behauptung des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann, "und nun sagt er in die Kamera, von ihm gehe keine Gefahr aus. Warum gibt man diesem Verbrecher ein solches Forum? Und wir werden im Fernsehen als hysterischer Mob dargestellt."

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Am Mittwochabend zeichnet sich dann endlich eine Lösung ab. Bei einer Bürgerversammlung in Randerath teilt Landrat Pusch mit, Karl D. wolle nun eine Therapie machen, in einer geschlossenen Einrichtung. Es werde mit Hochdruck daran gearbeitet, einen Platz für ihn zu finden.

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Zwar hat die Münchner Staatsanwaltschaft Beschwerde beim Oberlandesgericht und beim Bundesgerichtshof gegen die Freilassung von Karl D. eingelegt, aber die Chancen schätzt Pusch für gering ein. In nur fünf Prozent der Fälle, so habe er recherchiert, hätten solche Anträge Erfolg. Eine Entscheidung über die Zukunft von Karl D. ist für Mitte April angekündigt.

Bis zum Antritt der Therapie oder bis zur Verfügung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung, so der Landrat, werde die Polizeiüberwachung weitergehen - und die Demonstrationen vermutlich auch.

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"Wenn ich 1000 Euro Steuerschulden habe, bekomme ich am nächsten Tag den Bescheid vom Finanzamt", sagt der Demonstrant Misch, "und bei diesem Typen dauert das Wochen." Sollten die Anträge der Staatsanwaltschaft abgelehnt werden, sollte Karl D. entgegen der Ankündigung keine Therapie machen oder diese vorzeitig abbrechen, dann werde es, so Misch, "sehr, sehr fies". Dann breche sich der Zorn vermutlich freie Bahn.

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