Verkleideter Rächer verhaftet:Der gefallene Superheld von Seattle

Als "Superheld" kämpft er gegen das Böse, schützt die Schwachen - und ist dabei nun offenbar über das Ziel hinausgeschossen: In Seattle haben Polizisten den maskierten Mann verhaftet.

Mit Maske und Cape streift er nachts durch die Straßen, um das Verbrechen in seiner Stadt aufzuhalten. Seine Stadt, das ist nicht Gotham City, sondern Seattle im US-Bundesstaat Washington und der Mann mit der Maske nicht Batman, sondern Phoenix Jones. So jedenfalls nennt sich der 23 Jahre alte Mann während seiner nächtlichen Verbrecherjagd. Tagsüber arbeitet er mit autistischen Kindern. In seinem Kampf gegen das Böse muss der selbsternannte Anführer des Rain City Superhero Movement nun eine Niederlage hinnehmen: Er wurde verhaftet, weil er eine Gruppe Passanten angegriffen und mit Pfefferspray besprüht hat.

Verkleideter Rächer verhaftet: Dieses Archivfoto zeigt den selbsternannten Superhelden von Seattle, Phoenix Jones, in voller Montur. Im bürgerlichen Leben arbeitet der 23-Jährige mit autistischen Kindern.

Dieses Archivfoto zeigt den selbsternannten Superhelden von Seattle, Phoenix Jones, in voller Montur. Im bürgerlichen Leben arbeitet der 23-Jährige mit autistischen Kindern.

(Foto: AP Photo/The Seattle Times, Dean Rutz)

Dass dem so ist, bestreitet nicht einmal der Hobby-Superheld, der sein Kostüm der Comicfigur Nightwing nachempfunden hat. Allerdings gehen die Schilderungen über die Details des Vorfalls beträchtlich auseinander: Jones behauptet, er habe eine Schlägerei beobachtet. "Es sah aus wie einer gegen acht", sagte er dem Nachrichtenportal Daily News.

Die Beteiligten - und die Ermittler - sehen das allerdings anders: Die jungen Leute hätten in der Nacht zum Sonntag gerade eine Diskothek verlassen. Auf dem Weg zu ihren geparkten Autos hätten sie begonnen, "zu tanzen und miteinander herumzutollen." Keine Spur also von einer Schlägerei. Jones wurde von herbeigerufenen Polizisten verhaftet, am Nachmittag allerdings gegen Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt.

In der Superhelden-Szene von Seattle ist längst ein Kampf um die Deutungshoheit entbrannt. Auf Jones' Facebook-Profil ("Ich stehe dafür, dass die durchschnittliche Person nicht herumlaufen und böse Dinge mit ansehen muss, ohne etwas zu tun"), das immerhin 16.000 Fans aufweist, wehrt sich Jones gegen die Vorwürfe. "Ich würde nie eine andere Person angreifen oder verletzen, wenn sie nicht einem anderen menschlichen Wesen Schaden zufügt", hat er dort in Großbuchstaben geschrieben Zudem gibt es ein Video, dass seine Version der Geschichte belegen soll.

Viel ist auf den wackligen Bildern allerdings nicht zu erkennen - außer, dass der selbsternannte Superheld bald nach seinem Eingreifen selbst Prügel einstecken muss - von einer mit einem Schuh bewaffneten Frau. Die Kommentare unter dem Video reichen von Unterstützung für Jones bis zu blankem Unverständnis.

Berichten örtlicher Medien zufolge reagierten die Einsatzkräfte reichlich genervt auf den Zwischenfall - Jones ist für sie schließlich ein alter Bekannter. Er habe "sich schon öfter in solche Situationen gebracht", zitiert die Seattle Times aus dem Polizeibericht. Daily News zufolge kämpft Jones schon seit zwei Jahren gegen das Böse - seit sein Sohn bei einem Verbrechen verletzt worden sein soll.

Im vergangenen Jahr erwirkte ein Mann den Meldungen zufolge eine gerichtliche Verfügung gegen Jones', nachdem dieser ihn offenbar wiederholt aufgesucht und bedroht hatte. "Zuletzt mehren sich die Berichte", dass Bürger von Jones und seinen Unterstützern mit Pfefferspray attackiert würden, heißt es im Polizeibericht vom Wochenende. Obwohl Jones bereits wiederholt darauf hingewiesen wurde, besser den Notruf zu wählen, "versucht er weiterhin, die Dinge selbst zu regeln".

Oder wie es der Polizeisprecher von Seattle formulierte: "Es ist okay, wenn sich Leute verkleiden und durch die Straßen laufen. Aber wenn jemand Passanten mit Pfefferspray besprüht, braucht er einen guten Grund dafür, sonst wird er wegen Körperverletzung festgenommen." Genau so ist es nun gekommen. Am Donnerstag steht der nächste Gerichtstermin für Jones an.

Von seiner Mission will er sich dadurch allerdings nicht abbringen lassen: "Ich gebe jetzt noch ein Radio-Interview und danach ziehe ich meine Maske an und gehe wieder raus auf die Straße", sagte Jones dem Portal Daily News schon am Montag. Er ist ein Superheld, und kann wohl nicht anders.

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