Vergiftungen in Indien:Kinder boykottieren kostenloses Schulessen

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Schulkinder erholen sich nach dem vergifteten Mittagessen im Krankenhaus. (Foto: AFP)

Verängstigte Schulkinder in Indien werfen ihr Essen in den Müll: Nach dem Vergiftungstod von mehr als 20 Schülern weigern sich Tausende Kinder, die kostenlosen Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Die Regierung versucht nun, ähnlichen Tragödien mit einer unorthodoxen Vorschrift vorzubeugen.

Nach dem Tod von mehr als 20 Kindern durch vergiftete Mittagessen boykottieren im Osten Indiens Tausende Schüler die kostenlos angebotenen Schulspeisen. Die verängstigten Kinder hätten ihre Mahlzeiten in Mülleimer geworfen oder gar nicht erst angerührt, sagte ein ranghoher Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur AFP. Obwohl die Schulbehörden gelobt hätten, dass eine solche Tragödie nicht mehr vorkommen werde, seien viele Kinder von ihren Eltern angewiesen worden, die Finger vom Kantinenessen zu lassen.

Unterdessen hätten trauernde Eltern aus Protest damit begonnen, die Leichen ihrer Kinder in unmittelbarer Nähe zur Schule zu beerdigen, berichten mehrere Medien. Im ostindischen Bundesstaat Bihar, wo sich die Tragödie ereignete, werden Kinder bis zu einem bestimmten Alter nicht wie sonst in Indien üblich verbrannt, sondern begraben. Die wütenden Angehörigen wollen dies als Akt des Gedenkens für ihre verstorbenen Kinder verstanden wissen. "Die Menschen dürfen niemals vergessen, dass unsere Kinder in der Schule wegen der Fahrlässigkeit der Regierung gestorben sind", sagte eine Mutter der BBC.

Mindestens 22 Kinder sind am Dienstag an den Folgen einer kostenlos verteilten Schulmahlzeit aus Reis, Gemüse und Linsen gestorben. Etwa 30 weitere Kinder werden weiterhin im Krankenhaus behandelt. Ersten Erkenntnissen zufolge enthielt das an einer staatlichen Schule verteilte Essen möglicherweise Insektengift.

Komplott oder Fahrlässigkeit?

Im Haus der geflüchteten Schulleiterin seien zwei Behälter mit Insektiziden nebst Gemüse, Reis und Hülsenfrüchten für das Mittagessen gefunden worden, sagte ein ranghoher Ermittler. "Nur die Direktorin kann sagen, ob es sich bei dem Vorfall um ein Komplott oder fahrlässiges Versehen handelt", fügte er hinzu. Aus Regierungskreisen hieß es, der Schulkoch habe sich bei der Direktorin noch über den Geruch des Bratöls beschwert. Die Frau habe ihn aber beschwichtigt, woraufhin er weiterkochte. Die Schulleiterin und ihr Ehemann, der Lebensmittel an die Schule verkaufte, seien auf der Flucht. Gegen beide liege ein Haftbefehl vor.

Der Vorfall hat Konsequenzen: Rektoren und Köche sollen die Speisen an den Schulen künftig vorkosten. Die Regierung in Bihar ließ am Donnerstag in allen Lokalzeitungen Anzeigen veröffentlichen, in denen die Regel erklärt und Maßnahmen bei Verstößen dagegen angedroht werden.

Etwa 120 Millionen Kinder erhalten in Indien kostenloses Essen an staatlichen Schulen. Durch das Programm soll die Ernährung verbessert und auch die Anwesenheitsquote gesteigert werden. Wegen Hygienemängeln und minderwertiger Zutaten gibt es jedoch immer wieder Lebensmittelvergiftungen. In den vergangenen Jahren haben steigende Lebensmittelpreise stetig den Leidensdruck der 455 Millionen Inder erhöht, die unter der Armutsgrenze leben.

© AFP/dpa/sebi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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