Verbrechen in Höxter:Das Haus mit dem verhangenen Fenster

Eine 41-Jährige wurde hier gefangen gehalten - bis sie tot war. Das Opfer baute körperlich ab, trug zuletzt eine Glatze. Wie konnte das Verbrechen trotzdem so lange unerkannt bleiben? Und: Gibt es noch weitere Opfer?

Von Carsten Eberts, Höxter

Das Haus liegt außerhalb der Stadt, den Knüllberg hinauf, durch den Wald, genau dort, wo die ersten Straßen eines Höhendorfs beginnen. Die Straße wird enger und enger, schließlich liegt da der Hof, ein graues Bauernhaus, das vor sehr vielen Jahren zuletzt gestrichen wurde.

Hier soll sich die menschliche Tragödie abgespielt haben? Kaum vorstellbar, dass in dieser Straße in Höxter-Bosseborn, im Weserbergland, an der Grenze von NRW zu Niedersachsen, mal so etwas wie Leben geherrscht hat. Das Gehöft ist verrammelt, die Jalousien heruntergelassen. Alle Türen, auch die der angebauten Scheune, sind mit Polizeiaufklebern versiegelt. Die Nachbarn meiden heute die Öffentlichkeit, meiden die Fernsehkameras. Es ist ihr gutes Recht.

Angelockt von einer Kontaktanzeige

Der "Horrorhof von Höxter" wird das Haus in den Medien genannt. Ein geschiedenes Paar, Frau und Mann, soll hier eine 41-Jährige wochenlang gefangen gehalten und misshandelt haben.

Das Opfer habe im Februar auf eine Kontaktanzeige des Mannes geantwortet und sei im März kurzerhand nach Höxter gezogen, direkt in das Haus des kriminellen Duos, berichtet die Staatsanwaltschaft. Da nahm das Grauen seinen Lauf.

Der Hof fällt auf in der Straße, weil alle anderen Häuser einen gepflegteren Eindruck machen. Das Garagenschloss ist kaputt, es wird von einer Kette gesichert. Im ersten Stock fehlt ein Fenster, seit Monaten schon, es wurde notdürftig mit schwarzem Tuch verhangen. Der Garten ist völlig verwildert.

Das Paar lebte abgeschieden

Einige Reporter klingeln an Türen, befragen verunsicherte Anwohner. Doch man muss nicht in die Privatsphäre der Leute eindringen, um die Dimension des Verbrechens erahnen zu können. Das Ex-Paar habe abgeschieden gelebt, hat die Polizei erklärt. Meistens nachts verließen der 46-Jährige und die 47-Jährige das Haus, zusammen mit der Gefangenen, weil sie fürchteten, die Frau könne sonst flüchten.

Anfangs soll die Frau lange Haare gehabt haben, später eine Glatze. Es ging ihr offenbar zunehmend schlechter. Bei einem solchen Ausflug ist das Verbrechen schließlich auch aufgeflogen. Das Auto hatte eine Panne, und weil die Gefangene körperlich rapide abbaute, riefen sie den Rettungsdienst. Wenige Stunden darauf verstarb die Frau, laut Obduktion durch Schläge auf den Kopf. Die Polizei verhaftete ihre Peiniger, die seitdem in U-Haft sitzen.

Kaum Kontakt zu den Nachbarn

Wie konnte die Gefangenschaft so lange unerkannt bleiben? Das ist eine der vielen ungeklärten Fragen. Kontakt zu den Nachbarn soll kaum bestanden haben, man sah sich ab und zu auf der Straße, mehr nicht.

Inzwischen prüfen die Ermittler auch, ob es noch weitere Opfer gibt. Das sei eine Ermittlungsrichtung unter mehreren, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Paderborn am Samstag. "Es gibt Hinweise, dass es so gewesen sein könnte", sagte er.

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