Venezuela:Wie spät ist es denn nun?

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In Venezuela wissen die Menschen nicht mehr, wie viel Uhr es ist. Ihr Präsident Hugo Chavez will die Zeit umstellen und hat nur Verwirrung gestiftet.

Peter Burghardt

Acht Stunden lang hat Hugo Chavez am Sonntag gesprochen, so viel steht fest. Venezuelas Staatschef übertraf sich in seiner wöchentlichen Fernsehshow ,"Alo, Presidente" (Hallo Präsident) selbst und brach seinen eigenen Rekord. Demnächst will er zehn Stunden lang auf Sendung bleiben, das hatte in besseren Zeiten nicht mal sein Vorbild Fidel Castro aus Kuba geschafft.

Verwirrt seine Landsleute mit der Uhrzeit: Hugo Chavez. (Foto: Foto: AFP)

Chavez plauderte live aus einer Ölanlage, sang und rezitierte Gedichte. Sein Marathon durch die Themen der Gegenwart begann um elf und endete um sieben, die Sonne hatte sich schon gesenkt. Das Publikum im Studio musste so lange durchhalten. An seiner Hartnäckigkeit im Umgang mit der Zeit besteht also kein Zweifel - allerdings wissen seine Landsleute seit diesem Montag nicht mehr, wie viel Uhr es gerade ist.

Bei einem anderem Dauermonolog hatte ihr Oberhaupt kürzlich angekündigt, er werde die Uhr in der Mitternacht des 23. September um eine halbe Stunde vorstellen. Auf diese Weise sei es schon hell, wenn die Kinder zur Schule gingen. Er bemühe sich um "den Einfluss der Sonne auf das Gehirn", erläuterte Chavez und sah auf seinen Chronometer am Handgelenk.

Ein mutiger Zuhörer wendete berechtigterweise ein, man müsse die Zeiger vielmehr eine halbe Stunde zurücksetzen, um Licht zu gewinnen. Chavez beauftragte seinen ebenfalls anwesenden Bruder und Erziehungsminister Adan, die Sache richtig zu stellen: "Adan, klär' uns auf". - "Nein, nach vorne", antwortete der. Zurück blieb Verwirrung. Wie spät, fragt sich Venezuela, ist es nun?

Viele der 27,5 Millionen Einwohner kümmert es wenig. Die Zeit ist ohnehin ein dehnbarer Geselle an der Karibik, kein Diktator wie in Nordeuropa. Außerdem sind Venezolaner daran gewöhnt, dass Chavez im Rahmen seines "Sozialismus des 21. Jahrhundert" alles mögliche verändert, unter anderem den Landesnamen (inzwischen Bolivarische Republik Venezuela).

Andere spotten. Man sei ohne Zeit, witzelt ein Komiker in der Zeitung Tal Cual. Die neue Zeit komme nicht, und die alte Zeit sei nicht mehr gültig. "Man steht um 5:30 Uhr auf, ohne zu wissen, ob es fünf oder sechs ist." Offiziell wurde das Projekt Uhr jetzt aus organisatorischen Gründen um drei Wochen verschoben. Chavez arbeitet angeblich hartnäckig daran und ließ dienstags sogar seine Rede bei den Vereinten Nationen in New York ausfallen, Begründung: "Keine Zeit."

© SZ vom 27.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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