Vatikan:Die vatikanische Gendarmerie gegen die Mitteilsame und den Monsignore

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"Es herrsche gerade ein sehr hässliches Klima" im Vatikan nach dem angeblichen Geheimnisverrat. (Foto: dpa)
  • "Ich habe mit der Affäre absolut nichts zu tun", sagt Francesca Chaouqui, die das Vertrauen des Papstes gebrochen haben soll.
  • Die vatikanische Gendarmerie ermittelt trotzdem gegen sie und einen in Ungnade gefallenen Priester.
  • Ein Motiv der beiden könnte Rache sein.

Von Oliver Meiler, Rom

Ein junges Frauengesicht prangt auf den Frontseiten der italienischen Zeitungen unter fetten, skandalgetränkten Schlagzeilen. Ausnahmsweise gehört es nicht einer Politikerin oder einem Showgirl aus der Entourage von Silvio Berlusconi.

Francesca Immacolata Chaouqui, 33 Jahre, aus Cosenza in Kalabrien, Tochter einer Süditalienerin und eines Franzosen mit marokkanischen Wurzeln, spielt eine plötzliche und erstaunliche Hauptrolle im neuesten Skandal aus dem Vatikan. Gegen Chaouqui wird wegen des Verdachts auf Vertrauensbruch ermittelt. Das Vertrauen, das sie gebrochen haben soll, ist jenes des Papstes.

"Mir geht es super", erzählt sie den Medien, "ich habe mit der Affäre absolut nichts zu tun." Die vatikanische Gendarmerie habe sie ja auch nicht verhaftet, man habe sie nur zu einem Gespräch eingeladen.

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Auf dem Tonband soll der Papst zu hören sein, 16 Minuten lang die Kurie maßregelnd

Nun ja, ganz so einfach ist es nicht. Chaouqui steht unter Hausarrest, weil die vatikanische Justiz annimmt, dass sie zusammen mit ihrem früheren Mentor, einem spanischen Priester, brisante Dokumente aus dem Inneren des Kirchenstaates an zwei Journalisten geleakt hat. Diese fertigten mit dem Material je ein Buch an, beide kommen nun auf den Markt: Gianluigi Nuzzis Werk "Alles muss ans Licht - Das geheime Dossier über den Kreuzweg des Papstes" sowie Emiliano Fittipaldis Buch "Der Geiz".

Sie handeln unter anderem von der Verschwendung der Kurie, die angeblich viel Geld für sich behält, das für die Armen gedacht wäre. Nuzzi verfügte bei seiner Recherche auch über Aufzeichnungen einer geheimen Sitzung. Auf dem Band soll die Stimme des Papstes zu hören sein, der in einer 16-minütigen Ansprache die Kurie maßregelt. Wo die Enthüller ihre Informationen herhaben, sagen sie nicht. Im Vatikan ist man sich aber ganz sicher.

Das wichtigste an Chaouqui ist ihr Netzwerk

Chaouqui gehörte als einzige Frau und Italienerin jenem achtköpfigen Gremium an, dem Papst Franziskus 2013, kaum war er im Amt, den Auftrag erteilte, die opaken Finanzangelegenheiten zu durchleuchten und deren Strukturen transparenter zu gestalten. Die Kommission trug den Namen Cosea und tagte im Gästehaus Santa Marta, wo der Papst wohnt. Schon die Berufung der ausnehmend mitteilungsbedürftigen, dauertweetenden PR-Frau in diese Männerwelt sorgte für Verwunderung. Chaouqui hatte davor zwar für eine internationale Revisionsfirma gearbeitet. Doch noch wichtiger schien ihr persönliches Netzwerk zu sein, dem Politiker und römische Adlige angehörten, alle mit Verbindungen zur Kirche. Ihr Mann ist Informatiker, er arbeitete damals für den Vatikan.

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Sie sollen Journalisten vertrauliche Unterlagen zugesteckt haben. In wenigen Tagen erscheinen Bücher mit brisantem Inhalt.

Als Kommissionsmitglied hatte sie der spanische Priester Lucio Ángel Vallejo Balda vorgeschlagen, ein Ökonom und Senkrechtstarter im gehobenen Personal der Kirche. Die Karriere des Monsignore, der dem konservativen Bündnis Opus Dei nahesteht, hatte schon 2011 begonnen, unter Papst Benedikt, der ihn nach Rom holte, und ging unter Franziskus weiter, der ihn zum Sekretär der Cosea machte. Beide Päpste sahen in Vallejo einen Hoffnungsträger für die Reformen in der Kurie: gescheit und sauber.

18 000 Euro für ein Bankett

Er fiel aber bald in Ungnade, wegen einer Veranstaltung, die so gar nicht zum neuen Stil des Vatikans passte. Im Februar des vergangenen Jahres, als Zehntausende Pilger auf dem Petersplatz auf die Heiligsprechung von Johannes XXIII. und von Johannes Paul II. warteten, empfingen Vallejo und Chaouqui auf der Terrasse der Präfektur für wirtschaftliche Angelegenheiten, hoch über der Piazza, 150 handverlesene Gäste, vor allem Politiker, Journalisten und Ökonomen, zu einem Bankett mit teuren Weinen. 18 000 Euro kostete das Vergnügen. Vallejo reichte Hostien aus Bechern der Cateringgesellschaft; Chaouqui gerierte sich als Gastgeberin. Der Papst war empört. Chaouqui wurde der Zugang zum Vatikan bald verwehrt. Und Vallejos Karriere machte keine Sprünge mehr.

Wollten sich die beiden mit den Leaks nun rächen? Oder vielleicht nur er? Die junge Dame sagt dazu: "Der Monsignore hat versucht, mich mit in den Dreck zu ziehen." Es herrsche gerade ein sehr hässliches Klima.

© SZ vom 04.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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