Utøya-Attentäter Breiviks Notrufe bei der Polizei:"Wie auf Autopilot"

Zehn Mal will der norwegische Attentäter Anders Behring Breivik während seines Massakers auf der Insel Utøya versucht haben, die Polizei zu erreichen. Der Inhalt zweier Gespräche wurde nun öffentlich gemacht. Für die Opfer eine schreckliche Erinnerung, für Breiviks Anwalt ein Hinweis auf den Geisteszustand seines Mandanten.

Für die Opfer des 22. Juli dürften es schier unerträgliche 40 Sekunden sein: Erstmals wurde der Mitschnitt eines Anrufs von Anders Behring Breivik bei der Notrufzentrale der norwegischen Polizei veröffentlicht. "Hallo, mein Name ist Kommandant Anders Behring Breivik von der norwegischen antikommunistischen Widerstandsbewegung", ist die Stimme des 32-Jährigen zu hören.

Der ruhige, geschäftsmäßige Tonfall des Attentäters und die freundliche Professionalität des Mannes am anderen Ende der Leitung klingen im Rückblick unmenschlich grausam: Breivik hatte bereits 50 Minuten auf der Ferieninsel Utøya um sich geschossen und Jugendliche getötet, als er die Notrufnummer wählte. "Ich will mich ergeben", sagt der Attentäter, doch als der Diensthabende nachhakt, von welcher Nummer aus er anrufe, legt er auf - und mordet weiter.

Für Breiviks Verteidiger Geir Lippestad wirft der Anruf Fragen über den Geisteszustand seines Mandanten auf. Das sagte Lippestad dem norwegischen Fernsehsender TV2, der den Mitschnitt am Dienstag veröffentlicht hatte. "Es ist schwierig zu verstehen, warum er seine Waffe nicht niederlegte. Als würde er auf Autopilot funktionieren", zitiert der britische Telegraph den Anwalt.

Zehn Mal will Breivik versucht haben, die Notrufnummer der Polizei zu wählen, jedoch sei er nur zweimal durchgekommen. Von dem zweiten Notruf, gut 20 Minuten später, wurde die Abschrift öffentlich gemacht: "Ich habe meine Operation abgeschlossen", sagt Breivik übereinstimmenden Medienberichten zufolge darin, "darum will ich mich ergeben." Er verweist dann noch, wie auch in seinem kruden 1500-Seiten-Pamphlet und bei seiner ersten öffentlichen Anhörung Mitte November, auf den Orden der Tempelritter, dem er angehöre.

Der Anwalt der Opfer kritisierte die Veröffentlichung des Telefonats. Für seine Klienten sei der Tonbandschnipsel eine unwillkommene Erinnerung. "Sie (Breiviks Opfer) sind nicht gerade froh, seine Stimme in ihren Wohnzimmern zu hören. Das gilt besonders für alle, die ihn auf der Insel schreien gehört haben", sagte Johan Christian Elden dem britischen Guardian zufolge.

Breivik tötete auf der Insel Utøya 69 Teilnehmer eines Jugendlagers. Kürzlich veröffentlichte Verhörprotokolle deckten auf, dass das Massaker auf der Insel für den Attentäter offenbar nur "Plan B" gewesen sein soll - nachdem der vorangegangene Bombenanschlag auf das Regierungsviertel in Olso weniger Schaden anrichtete als Breivik erwartet hatte. Bei der Explosion starben acht Menschen.

Den Mitschnitt im O-Ton ist auf den Webseiten der britischen Tageszeitung The Telegraph mit englischen Untertiteln zu finden.

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