USA:US-Vizepräsident zu Stanford-Opfer: "Du wirst Leben retten"

Joe Biden

"Sex ohne Zustimmung ist Vergewaltigung", schreibt Vizepräsident Joe Biden.

(Foto: AP)
  • In einem offenen Brief an jene Frau, die in Stanford sexuell missbraucht wurde, hat sich US-Vizepräsident Joe Biden nun zu Wort gemeldet.
  • Der Fall wird in den USA heftig diskutiert, seit sich die Frau in einem zwölfseitigen Brief an ihren Vergewaltiger äußerte. Er wurde millionenfach gelesen.

Von Hakan Tanriverdi, New York

Der Fall Brock Turner dominiert seit Anfang Juni die Schlagzeilen in den USA. Nun hat sich auch der amerikanische Vizepräsident eingeschaltet. In einem offenen Brief, den die Webseite BuzzFeed veröffentlicht hat, wendet sich Joe Biden an jene Frau, die von Turner Anfang 2015 sexuell missbraucht wurde. Es sind Worte der Bewunderung. "Ihre Aktion wird Leben retten", schreibt Biden.

Biden engagiert sich seit Jahrzehnten dafür, dass weniger Frauen Opfer von Gewalt werden. Als Senator reichte er 1990 einen Gesetzesentwurf ein, der vier Jahre später in Form des Violence Against Women Act angenommen wurde. "Eine Ehefrau in den Bauch zu treten oder die Treppen herunterzuschubsen, fand man abscheulich. Aber als Straftat wurde es nicht ernst genommen", schrieb er zum 20. Jahrestag des Gesetzes im Jahr 2014.

"Dein Brief sollte Pflichtlektüre sein"

In einer gemeinsamen Agenda betonen Obama und Biden außerdem, dass die Gehälter von Männern und Frauen angepasst werden, geschlechterbezogene Diskriminierung an Schulen aufhören und Gesetze im Bereich der häuslichen Gewalt verschärft werden müssten.

Bidens offener Brief beginnt ähnlich wie jener, den die Frau im Gerichtssaal verlies. "Du kennst mich nicht", schrieb sie. Biden schreibt: "Ich kenne deinen Namen nicht, aber deine Worte haben sich durch meine Seele gebrannt. Es sind Worte, die Pflichtlektüre sein sollten für Männer und Frauen jeden Alters." Und von denen er sich wünsche, dass die Frau sie niemals hätte schreiben müssen.

In ihrem Brief beschrieb die Studentin auf mehr als zwölf Seiten, wie sie von der Tat aus einem Zeitungsartikel erfuhr. Sie selbst konnte sich nicht an die Ereignisse erinnern. Die Frau richtete sich direkt an den Täter und beschrieb in starken Worten, wie sehr sie durch den sexuellen Missbrauch traumatisiert wurde.

"Ich bin voller Zorn - darüber, dass dir das passiert ist, aber auch über unsere Kultur, die derart kaputt ist, dass du in die Position gedrängt wurdest, deinen eigenen Wert verteidigen zu müssen", schreibt Biden.

Sex ohne Zustimmung ist Vergewaltigung. Punkt.

Die Frau sei von vielen Stellen im Stich gelassen worden, schreibt Biden. Von jenen, die sie in ihrem betrunkenen Zustand sahen, aber nicht halfen. Und von jenen, die das, was ihr widerfahren sei, als "eine weitere krasse Nacht" abtun.

In seinem Brief kommt Biden auch auf die Strafe zu sprechen, zu der der Täter verurteilt wurde: sechs Monate Gefängnis. Die Anklage hatte sechs Jahre gefordert. Das Urteil wurd vielfach als zu mild bezeichnet und löste landesweite Proteste aus - Kritiker wollen den Richter abberufen lassen. Auf all das kommt Biden nicht direkt zu sprechen. Stattdessen schreibt er, dass zwar das Justizsystem ein Urteil gefällt habe. Die Nation aber sei "nicht zufriedengestellt".

Nicht die Frau werde durch jene Nacht definiert, schreibt Biden, sondern der Täter. Dessen Vater nannte den sexuellen Missbrauch "20 minutes of action". "Und auch all jene Personen haben dich im Stich gelassen", schreibt Biden weiter, "die diese eine, sehr simple Wahrheit auch nur hinterfragt haben: Sex ohne Zustimmung ist Vergewaltigung. Punkt. Es ist eine Straftat."

Durch ihren offenen Brief habe die Frau Millionen bewegt und bereits jetzt schon die Gesellschaft verändert. "Deine Worte werden Menschen helfen, die du niemals treffen wirst. Du hast ihnen die Kraft gegeben, zu kämpfen. Und auf diese Weise, glaube ich, wirst du Leben retten."

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