USA:Schule sucht 50 "Ersatz-Väter" - 600 Männer melden sich

Breakfast with Dads, Billy Earl Dade Middle School in Dallas

Die Fotografin Stephanie Drenka hielt das Väter-Frühstück an der Dade Middle School mit ihrer Kamera fest.

(Foto: Stephanie Drenka)
  • Eine Schule in Texas veranstaltet im Dezember ein "Breakfast with Dads".
  • 150 Schüler zwischen elf und 13 Jahren melden sich an - doch die Schule befürchtet, dass nicht alle Väter erscheinen werden.
  • Ein Facebook-Aufruf beschert der Billy Earl Dade Middle School ihr ganz eigenes, verfrühtes Weihnachtswunder.

Von Johanna Bruckner, New York

Barack Obama ist zwar nicht mehr US-Präsident, aber sein Gespür dafür, was die Amerikaner brauchen, hat er nicht verloren. Kurz vor Jahreswechsel schrieb er auf Twitter: "Für all die schlimmen Geschichten, die unser kollektives Bewusstsein zu bestimmen schienen, gab es in diesem Jahr zahllose Geschichten, die uns daran erinnern, was das Beste an Amerika ist." Der Ex-Präsident trat sodann den Beweis an und twitterte drei Beispiele: eine Hochzeitsplanerin aus der von Hurrikan "Harvey" schwer getroffenen Gegend um Houston, die die Gäste einer verschobenen Hochzeit kurzerhand zu freiwilligen Helfern machte - Tausende taten es der Hochzeitsgesellschaft nach. Ein Footballspieler, der nach den rassistischen Krawallen in Charlottesville sein Gehalt einer ganzen Saison für Bildungsstipendien spendete. Ein zehnjähriger Junge aus Chicago, der 5000 Obdachlosen eine Tüte mit Toilettenartikeln, Socken und Lebensmitteln zukommen ließ.

Die Feel-good-Geschichte der Billy Earl Dade Middle School in Dallas fehlte in Obamas Best-of - dafür hat sie es jetzt vom Social-Media-Hit in die überregionale Presse geschafft. Dabei liegt das, was passiert ist, schon fast einen Monat zurück.

Im Dezember kündigte die Schule ihr erstes "Breakfast with Dads" an, ein Schulfrühstück für elf- bis 13-jährige Schüler und deren Väter. Die Aktion war nicht als Geringschätzung gegenüber den Müttern gemeint, sondern zielte auf ein besonderes Problem ab: das Fehlen von männlichen Vorbildern. 90 Prozent der Schüler an der Dade Middle School kommen aus einkommensschwachen Familien, der Anteil alleinerziehender Mütter ist hoch. Und auch an der Schule werden die Kinder vor allem von Lehrerinnen unterrichtet - in den USA sind 76 Prozent der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen weiblich. Selbst wenn es eine Vaterfigur im Leben der Kinder gibt, ist sie oft nur sporadisch präsent.

Nur 150 von 900 Schüler meldeten sich zu dem Frühstück an

Viele Väter (und Mütter) im Einzugsgebiet der Dade Middle School gehen mehr als nur einem Job nach, sie haben nicht die Zeit und häufig auch nicht die nötige Schulbildung, um ihren Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen. Das spiegelte sich in der Vergangenheit auch in den Testresultaten der Schule nieder, die unter dem Durchschnitt im Bezirk Dallas lagen. Das Schulfrühstück sollte ein niedrigschwelliges Angebot für Väter sein, am Schulleben ihrer Kinder teilzuhaben, und den Kindern zeigen, dass ihre Väter Anteil nehmen an dem, was in der Schule passiert.

Doch die Aktion fand zunächst nicht den erhofften Anklang. Nur 150 von 900 Schülern meldeten sich zu dem Frühstück an. Und auch die Schule hatte Befürchtungen: Was, wenn nicht alle Väter der angemeldeten Kinder auftauchen würden - und mancher Schüler allein dastünde?

Also startete die Schule einen Facebook-Aufruf mit eindringlicher Botschaft: "Am kommenden Donnerstag, 14. Dezember, um 8.30 Uhr, veranstalten wir an der Billy Earl Dade Middle School ein Väter-Frühstück. Die Realität eines solch großartigen Events ist es, dass viele Kinder keinen Vater vor Ort haben werden. (...) Wir suchen mindestens 50 zusätzliche männliche Mentoren, die bereit sind, am kommenden Donnerstagmorgen eine Stunde ihrer Zeit zu opfern. (...) Wir brauchen EUCH!" Der Hilferuf wurde dutzendfach geteilt und erschien auf der lokalen Nachrichtenseite Dallas Morning News. "Wenn ein junger Mensch sieht, dass sich eine andere Person als sein Lehrer für ihn interessiert, kann das inspirierend sein", appellierte einer der Organisatoren, Pfarrer Donald Parish Jr., an die Leser. "Diese Kinder brauchen jede Unterstützung, die sie kriegen können, um erfolgreich zu werden."

Was dann passierte, kam einem verfrühten Weihnachtswunder gleich. Am Tag des Frühstücks erschienen nicht 50 Freiwillige - sondern mehr als 600. Junge und alte Männer, Männer aus allen Berufsschichten und aller Ethnien. (Die große Mehrheit der Schüler an der Dade Middle School hat afroamerikanische und lateinamerikanische Wurzeln.)

"Ich konnte kaum klar sehen, weil mir Tränen das Gesicht hinunter liefen"

Breakfast with Dads, Dads Middle Schoo, Dallas

Breakfast with Dads, Dade Middle School, Dallas

(Foto: Stephanie Drenka)

Die Fotografin Stephanie Drenka hielt die Momente mit ihrer Kamera fest. Es sei ein Wunder, dass auch nur eines der Bilder scharf sei, schreibt sie in einem zugehörigen Blogeintrag. "Ich konnte kaum klar sehen, weil mir Tränen das Gesicht hinunter liefen und meine Brillengläser beschlugen." Es seien so viele Männer gekommen, dass Kinder zeitweise von vier bis fünf Mentoren umringt gewesen seien. "Der Ausdruck in den Augen der Schüler, verwundert, ja ungläubig, als sie ihren Weg durch die Menge an 'Dads' gemacht habe, war erstaunlich."

Besonders berührt war Drenka von einem bestimmten Freiwilligen: Jamil Tucker brachte den Jungen in der Schulsporthalle das Krawattenbinden bei - für ihn eine Fertigkeit, die jeder Junge auf dem Weg zum Mann von seinem Vater lernen sollte. Am 14. Dezember war Tucker dieser Vater.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: