USA:Mordvorwurf fallen gelassen

Der Leipziger Geiger Stefan Arzberger darf die USA verlassen. Ihm war versuchter Mord vorgeworfen worden.

Von Peter Richter, New York

Hinterher stand Stefan Arzberger einigermaßen gelöst vor dem Sonnenuntergang am Hudson River und konnte zum ersten Mal seit 15 Monaten sagen, wie es jetzt weitergehen wird. Drei Wochen noch, dann kann er heim nach Deutschland. Nach mehr als einem Jahr der Ungewissheiten ging es diesen Mittwoch Nachmittag vor dem Supreme Court von New York auf einmal ziemlich schnell: Der Vorwurf des versuchten Mordes gegen Stefan Arzberger wurde fallen gelassen, der Musiker aus Leipzig ist frei. Dafür musste er sich allerdings seinerseits schuldig bekennen, eine "fahrlässige Tätlichkeit" begangen zu haben, auch wenn er sich an die Tat nicht erinnern kann. Ein sogenannter Deal beendet also das Verfahren, bevor es auf einen Strafprozess mit Geschworenen hinausgelaufen wäre, in dem schlimmstenfalls eine lange Haftstrafe gedroht hätte.

Arzberger war am 27. März 2015 im New Yorker Hudson Hotel festgenommen worden, wo er frühmorgens in derangiertem Zustand gegen Zimmertüren geklopft und schließlich eine 64 Jahre alte Touristin aus Connecticut gewürgt haben soll. Der Violinist war damals als Mitglied des Leipziger Streichquartetts für Gastspiele nach New York gekommen und im Hudson abgestiegen, einem populären Hotel in der Nähe des Times Squares. Von der Bar dieses Hotels war in dem Verfahren dann viel die Rede und von dem Bier, das Arzberger am Abend vor dem ersten Auftritt dort noch getrunken hat, und das er unbeobachtet stehen ließ, wenn er zum Rauchen vor die Tür ging. Seine Verteidigung hat von Anfang deutlich gemacht, dass ihm in dieser Zeit Betäubungsmittel ins Getränk gekippt worden sein müssen, sogenannte K.O.-Tropfen. Im Nachtleben von New York ist das eine epidemische Praxis, um die Opfer entweder sexuell zu missbrauchen oder auszurauben.

Nach Arzbergers Angaben ist das letzte, woran er sich erinnern kann, ein Spaziergang zum Times Square. Die Überwachungskameras des Hotels zeigen, dass er später in Begleitung einer mehrfach vorbestraften transsexuellen Prostituierten zurückkehrte, die den stark schwankenden Mann in den Hotelfahrstuhl bugsiert und wenig später mit Arzbergers Computer und Kreditkarten zurückkehrt.

Der Fall hatte in beiden Ländern für Aufmerksamkeit gesorgt. Die bizarren Umstände waren das eine. Dazu kam, dass das Verfahren offenbar von Ermittlungspannen geprägt war. So wurden zunächst keine Drogentests durchgeführt, Gutachten ließen auf sich warten, die als Entlastungszeugin benötigte Prostituierte konnte untertauchen. Der Deal mit der Staatsanwaltschaft hilft gewissermaßen allen Beteiligten, die Sache beizulegen, ohne gänzlich das Gesicht zu verlieren. Was nun noch geklärt werden muss, sind die Schadensersatzansprüche der Frau, die Arzberger angegriffen haben soll.

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