USA:Lautes Örtchen

USA: Männer- oder Frauentoilette? Für Amerikas LGBT-Bewegung ist das mehr als die Frage, wo man länger warten muss.

Männer- oder Frauentoilette? Für Amerikas LGBT-Bewegung ist das mehr als die Frage, wo man länger warten muss.

(Foto: Emery P. Dalesio/AP)

Amerikas Kulturkampf ist im Klo angekommen: Sind Unisex-Toiletten, bei denen Transgender sich nicht auf "Mann oder Frau" festlegen müssen, ein Angriff auf den "gesunden Menschenverstand"?

Von Claus Hulverscheidt, New York

Man könnte es sich leicht machen und die Sache als absurden Politikerstreit über das stille Örtchen abtun. Man könnte über Pat McCrory spotten, den Gouverneur des US-Bundesstaats North Carolina, der das Parlament aus den Sitzungsferien holt, um es über den Zugang zur Damentoilette abstimmen zu lassen. Und man könnte auch über den New Yorker Regierungschef Andrew Cuomo scherzen, der seinen Angestellten allen Ernstes jedwede Dienstreise nach North Carolina verboten hat. Aus Protest gegen den Amtskollegen. Man könnte. Wäre die Sache weniger ernst und nicht so beispielhaft für den tiefen gesellschaftlichen Riss, der aus Amerika ein zweigeteiltes Land gemacht hat.

Der Demokrat Cuomo und der Republikaner McCrory streiten über den Umgang mit "transidenten" Menschen, mit Frauen also, die sich als Mann, und Männern, die sich als Frau empfinden. Hintergrund ist eine Verordnung der Stadt Charlotte (North Carolina), mit der die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transidenten untersagt werden sollte. Menschen, deren körperliches Geschlecht nicht mit dem gefühlten übereinstimmt, hätten künftig entscheiden können, ob sie in einer Kneipe die Herren- oder Damentoilette und im Fitnessstudio die Männer- oder Frauen-Umkleide benutzen. Auch hätten Unisex-Toiletten, also Einheitswaschräume, eingerichtet werden dürfen, wie sie etwa in New York teils schon üblich sind.

Die Entscheidung war kaum gefallen, da ging ein Aufschrei durch das ländlich geprägte North Carolina. "Keine Männer in Damentoiletten" hallte es durch die Reihen der Republikaner, und einige warnten dezidiert davor, dass Sexualstraftäter das neue Recht nutzen könnten, um Frauen in deren Waschräumen nachzustellen. Angesichts des Rückenwinds ließ McCrory die Parlamentsabgeordneten in einer Sondersitzung über eine rasch zurechtgezimmerte Gegenverordnung entscheiden: Mit ihr werden nun nicht nur die Beschlüsse von Charlotte aufgehoben. Das Gesetz untersagt vielmehr allen Kommunen, eigene Antidiskriminierungsrichtlinien für öffentliche Einrichtungen zu erlassen, die über die bundesstaatliche Regelung hinausgehen.

McCrory verteidigt sein Vorgehen mit der Behauptung, die Beschlüsse der Stadt Charlotte seien "dem gesunden Menschenverstand zuwidergelaufen". Zudem könnten private Firmen und Einrichtungen weiter frei entscheiden, welche Art von Waschräumen sie vorhalten. Vertreter der Schwulen-, Lesben-, Bisexuellen- und Transgender-Bewegung werfen dem Gouverneur dennoch vor, sie gezielt diskriminieren zu wollen. Und Cuomo erklärte, vor dem Gesetz müssten alle Menschen gleich sein, unabhängig von ihrer geschlechtlichen Identität oder sexuellen Orientierung.

Mittlerweile ist eine wahre Protestwelle über McCrory hereingebrochen. Außer Cuomo untersagten auch die Gouverneure von Vermont und Washington sowie die Bürgermeister von New York, San Francisco und Seattle ihren Mitarbeitern Dienstreisen nach North Carolina. Über 80 Konzerne forderten McCrory auf, das Gesetz zurückzuziehen, darunter Apple und Facebook. Am Mittwochmorgen schloss sich auch die Bank of America, das größte Unternehmen des Bundesstaats, dem Widerstand an.

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