USA:Kündigen: unbezahlbar

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Eine US-Krankenschwester streicht den höchsten Einzelgewinn in der Lotterie-Geschichte ein. Mit der Aussicht auf Hunderte Millionen erfüllt sie sich erst einmal ihren größten Traum - und überrascht die offiziellen Ratgeber.

Von Nikolaus Piper

Deutsche und Amerikaner unterscheiden sich in vielem, auch im Umgang mit Geld im Allgemeinen und mit Lottogewinnen im Speziellen. Jemandem, der sechs Richtige hatte, empfehlen deutsche Berater, die gute Nachricht nicht hinauszuposaunen und vor allem eines: "Kündigen Sie auf keinen Fall ihren Job." In Amerika ist es genau umgekehrt. Die Lotteriegesellschaft des Bundesstaates New York warb schon vor Jahren mit einem einschlägigen Fernsehspot für das Gewinnspiel "Powerball", bei dem regelmäßig ein Jackpot von über 100 Millionen Dollar aufläuft. In der kurzen Szene sieht man eine junge Frau, die auf einem grell geschmückten Paradewagen mit Blaskapelle vor ihrem Chef vorfährt und verkündet: "Ich kündige." Powerball wird in 44 Bundesstaaten der USA angeboten.

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Jetzt hat die 53 Jahre alte Mavis Wanczyk aus Chicopee im Bundesstaat Massachusetts den Traum aus dem Werbespot wahr gemacht. Die Krankenschwester, die 32 Jahre lang im örtlichen Springfield Hospital gearbeitet hatte, holte bei Powerball 758,7 Millionen Dollar (umgerechnet etwa 644 Millionen Euro); es ist der höchste Einzelgewinn, seit überhaupt Lotto gespielt wird, und zwar weltweit. Das erste, was Wanczyk tat, war bei ihrem Arbeitgeber zu kündigen. "Ich habe sie angerufen und gesagt, dass ich nicht wiederkomme", sagte sie auf einer Pressekonferenz, die in den gesamten Vereinigten Staaten im Fernsehen und im Internet zu sehen war. "Das war ein Wunschtraum von mir", sagte die Mutter zweier erwachsener Kinder über ihren erfolgreichen Lotto-Coup. Unvorstellbar in Deutschland.

Reicher als Brad Pitt oder Ivanka Trump und ihr Mann zusammen

Der Gewinn ist ja aber auch gewaltig. Mavis Wanczyk ist jetzt reicher als Brad Pitt oder als Ivanka Trump und ihr Mann Jared Kushner zusammen, wie die New York Times errechnete. Allerdings möchte man die Gewinnerin auch warnen. Auch aus den USA gibt es unzählige Geschichten über Lottokönige und -königinnen, die in Bankrott und Alkoholismus endeten. Mit dem vielen Geld muss man umgehen können, das ist in den Vereinigten Staaten nicht anders als in Deutschland. Was zum Beispiel bedenklich stimmt: Mavis Wanczyk schlug den dringenden Rat der einschlägigen Experten aus und entschied sich gegen die Auszahlung des Gewinns in jährlichen Annuitäten, rein rechnerisch die günstigste Lösung. Stattdessen zog sie eine sofortige Abschlagssumme vor, die nach den Regeln deutlich niedriger als der Nominalgewinn ist: 480,5 Millionen Dollar.

Darauf sind noch 25 Prozent an Bundes- und fünf Prozent an Landessteuern zu zahlen, so dass netto nur 336 Millionen Dollar übrig bleiben. Die Gewinnerin hat sich also gewissermaßen für die Gegenwart und gegen die Zukunft entschieden. Allerdings schadet ein bisschen Weitsicht nie, auch als Multimillionärin.

© SZ vom 26.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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