USA:Jetzt geht's den Nachbarn an die Wäsche

In den USA ist ein grotesker Streit darüber entbrannt, ob man seine Kleider im Garten zum Trocknen aufhängen darf.

Nikolaus Piper

New York, Ende September - Es war an einem sonnigen Vormittag im Mai, als Susan Taylor eine kleine Revolution anzettelte: Sie hängte eine Wäscheleine im Garten auf. "Wir waren ein paar Tage campen, und ich hatte mehrere Ladungen Schmutzwäsche", erinnert sie sich. "Im Garten wurde alles schnell trocken, ich war nach einem halben Tag fertig." Dazu kam das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Überall ist jetzt von Klimaschutz die Rede, und kürzlich hatte ein Professor im Radio gesagt, die Amerikaner könnten dem Klima am einfachsten dadurch helfen, dass sie ihre elektrischen Trockner vergäßen und wie früher Wäscheleinen benutzten.

Waescheleine; Trocknen; USA

USA: Wäscheleinen verboten (Archiv)

(Foto: Foto: dpa)

Susan Taylor ist eine zierliche, lebhafte Frau, 55 Jahre alt, Mutter einer neunjährigen Tochter und von Beruf Krankenschwester. Ihr Mann arbeitet in einer Baufirma. Vor ein paar Jahren hatte die Familie ein 200 Quadratmeter großes Einfamilienhaus in Bend gekauft, einer Stadt hoch oben in den Bergen von Oregon. Ihr Stadtviertel heißt Awbrey Butte und ist typisch für viele Vorstädte der oberen Mittelschicht Amerikas. Die Grundstücke im Schatten hoher Kiefern sind nach deutschen Maßstäben riesig - 2000 Quadratmeter oder mehr. Die Holzhäuser großzügig bis ausladend, die Garagen haben Platz für zwei, manchmal drei Autos.

Es geht gepflegt zu in Awbrey Butte, und Wäsche im Garten, das gab es hier noch nie. Nach ein paar Tagen sprach eine Nachbarin Susan Taylor vorsichtig an: Ein paar Leute im Viertel seien an sie herangetreten, weil sie sich wegen der Wäscheleine geärgert hätten. Denen habe sie gesagt: "'Das ist sicher nur temporär. Bei den Taylors wird der Trockner kaputt sein.' - Das stimmt doch, oder?" Nachbarinnen können so nett sein, auch in der oberen Mittelschicht. Susan Taylor jedenfalls erwiderte, das sei keineswegs temporär, die Wäscheleine helfe gegen die Erderwärmung, außerdem rieche die Bettwäsche hinterher immer so gut. Die Nachbarin sagte nichts mehr.

Dafür bekam Susan Taylor zwei Wochen später einen Brief von Brooks Resources, der Grundstücks-Verwaltung. Die Firma wies die Frau knapp darauf hin, dass Wäscheleinen in Awbrey Butte verboten seien. Und sie fügte hinzu: "Viele Hausbesitzer sind stolz auf ihr Heim und dessen Umgebung." Aus Frau Taylors Wäscheleine war ein Fall geworden.

Wie in Deutschland war es früher in Amerika normal, dass Bettwäsche, Hemden und Unterhosen im Hof oder im Garten zum Trocknen hingen. Dann kam der Wohlstand der fünfziger und sechziger Jahre und mit ihm der Siegeszug der Wäschetrockner. Danach galt in den USA als arm oder asozial, wer noch eine Wäscheleine spannte.

Die Frau aus den Bergen

Oft wurde das öffentliche Wäschetrocknen regelrecht verboten, besonders in den rund 300000 Vierteln, die von Eigentümergemeinschaften reguliert werden. Wie eben in Awbrey Butte. Das Viertel hatte seinerzeit ein Bauentwickler erschlossen, gebaut und Haus für Haus an einzelne Familien verkauft. Die Erwerber bekamen ein kleines Buch mit Regeln in die Hand gedrückt, die Teil des Kaufvertrages wurden, so wie dies auch in Deutschland beim Kauf von Eigentumswohnungen üblich ist. Und in den Regeln für Awdrey Butte steht tatsächlich, dass "Einrichtungen zum Wäschetrocknen" von der Einsicht durch Dritte abzuschirmen sind. Was gar nicht so einfach ist in einer Nachbarschaft, in der Zäune "unerwünscht" sind.

Susan Taylor aber gab nicht klein bei. Sie hatte sich inzwischen schlaugemacht. Der Energieverbrauch der Wäschetrockner ist keineswegs bedeutungslos. Sie schlucken sechs Prozent des Stroms, den Amerikas Haushalte verbrauchen. Das hat die Energie-Informationsagentur der Regierung in Washington herausgefunden. Durchschnittlich 80 Dollar bezahlt eine Familie im Jahr für das Trocknen ihrer Wäsche.

Zu ihrer Nachbarin sagte Susan Taylor: "Wenn unsere Kinder uns einmal fragen: Was war euch wichtiger - die Zukunft des Planeten oder das, was die Leute über eure Wäscheleinen gesagt haben? Was werden wir ihnen dann antworten?" Das war ungefähr in der Zeit, als Präsident George W. Bush sich beim G-8-Gipfel in Heiligendamm gegen konkrete Pläne zum Klimaschutz sperrte.

Jetzt geht's den Nachbarn an die Wäsche

Kurz danach kam ein weiterer Brief von der Grundstücksverwaltung, diesmal im Ton deutlich schärfer: Sie solle "ihre Praktiken bis zum 9. Juli einstellen", widrigenfalls werde man "rechtliche Schritte" einleiten. Frau Taylor entschied, dass sie Hilfe von außen brauchte. Sie setzte sich an ihren Computer und gab das Wort "Wäscheleine" bei Google ein. Unter den 1,5 Millionen Einträgen fand sich auch die Website von Alexander Lee, einem 36 Jahre alten Anwalt aus Concord in New Hampshire. Lee betreibt seit mehr als zehn Jahren eine Art Bürgerinitiative mit Namen "Projekt Laundry List". Und die kämpft für nicht weniger als das "Recht zu trocknen".

Lee muss erkannt haben, dass Susan Taylor das ideale Gesicht für seine Kampagne ist, und sorgte dafür, dass Journalisten von dem Fall erfuhren. In der Lokalzeitung von Bend, The Oregonian, und im Wall Street Journal erschienen Artikel, ein örtlicher Fernsehsender brachte ein Interview.

Und nun ist die Frau aus den Bergen von Oregon ein Star geworden. Sie wird mit E-Mails und Briefen überschüttet, und alle unterstützen sie. "Es ist überwältigend. Ich bekomme nur Zuspruch, plötzlich auch aus der Nachbarschaft." Zwar habe sich noch niemand getraut, selbst die Wäsche rauszuhängen. Aber eine Frau habe ihr immerhin gesagt, wo man die besten Wäscheleinen bekommt. "Irland scheint der Geheimtipp zu sein", fand sie heraus.

Verbindung zum amerikanischen Immobilienmarkt

Alexander Lee seinerseits hat mit seiner Wäschekampagne schon bemerkenswerte Erfolge erzielt. So liegt im Parlament von New Hampshire ein Gesetzentwurf, nach dem es verboten werden soll, Wäscheleinen zu verbieten. In Vermont werde ein ähnliches Gesetz vorbereitet, sagt Lee. "Immer mehr Menschen wollen etwas für die Umwelt tun und sich nicht durch Vorschriften davon abhalten lassen."

Auch Donna Lombardi setzt ihre Hoffnungen auf eine Gesetzesänderung. Die 60-jährige Heilpraktikerin ist ebenfalls eine Wäscheleinen-Aktivistin und lebt in Cornelius in North Carolina. In ihrem Viertel mit dem Namen Willow Pond ist es ebenfalls untersagt, die Wäsche in den Garten zu hängen. Nun wird in North Carolina ein Gesetz vorbereitet, das es verbieten soll, "Solaranlagen" zu verbieten.

Zehn Bundesstaaten haben unter dem Eindruck steigender Energiepreise und der Debatte um das Weltklima bereits ähnliche Gesetze beschlossen. Aber ist eine Wäscheleine nun eine Solaranlage? Sie funktioniert sicher irgendwie mit Sonnenenergie, der Unterschied zu einer Solarzelle ist aber doch beträchtlich. Bis die Frage geklärt ist, behilft sich Donna Lombardi mit einem Kompromiss: "Ich hänge die Wäsche auf ein Holzgestell, das sieht man nicht so gut wie eine Wäscheleine."

So grotesk der Streit um die Wäscheleinen erscheinen mag, er hat durchaus einen ernsten Kern, und der hängt mit dem amerikanischen Immobilienmarkt zusammen. Die Preise von Häusern und Grundstücken schwanken dort ungleich stärker als in Deutschland. Aufstieg und Niedergang von Stadtvierteln liegen oft dicht beieinander. Zeichen des Verfalls und der Armut schlagen direkt auf die Häuserpreise durch. Deshalb reagieren viele Amerikaner so allergisch auf alles, was sie für einen Ausfluss asozialen Verhaltens halten. Unkraut in Nachbars Garten etwa. Oder eben Wäscheleinen.

Garagen-Trocknung bei 300 Sonnentagen

Deshalb erleidet die Bewegung für das "Recht zu trocknen" auch immer wieder Niederlagen. Zum Beispiel in Poughkeepsie, einer Kleinstadt am Hudson River nördlich von New York. Vor zwei Wochen beschloss hier der Gemeinderat einen Wäsche-Bann für die ganze Stadt. In der neuen Verordnung heißt es: "Es ist ungesetzlich für jedermann, Kleider, Teppiche oder Tücher jeder Art im Vorgarten, seitlich des Hauses oder auf der Eingangsterrasse zu legen, zu platzieren oder aufzuhängen."

Zuwiderhandlungen kosten 100 Dollar. Die Verordnung gelte nicht "für das gesetzmäßige Zurschaustellen von Bannern, Flaggen und anderen Dekorationen". Es sei notwendig, dass die Stadt "ein einheitlicheres Aussehen" habe, um für Einheimische und Besucher attraktiver zu werden, sagte Bürgermeisterin Nancy Cozean. Die Leute könnten ihre Wäsche ja hinter dem Haus aufhängen.

Susan Taylor hat sich inzwischen auf einen Kompromiss mit der Verwaltung eingelassen: Sie hängt die Wäsche in ihrer Garage auf. "Es ist eine Schande. Das Trocknen dauert Tage, und draußen ist so schönes Wetter." Wie das Tourismuszentrum von Zentral-Oregon in seiner Eigenwerbung mitteilt, hat Bend durchschnittlich 300 Sonnentage im Jahr. Besser könnten die Bedingungen fürs Wäschetrocknen im Freien nicht sein.

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