USA:In die Seele gebrannt

Lesezeit: 1 min

Die Debatte über den Umgang mit einer Vergewaltigung und der Bestrafung des Täters in Stanford wird in den USA immer aufgeregter. Nun hat sogar US-Vizepräsident Biden einen emotionalen Brief an das Opfer geschrieben.

Von Sebastian Herrmann

Sechs Monate Haft und drei Jahre Bewährung: Seit Tagen beschäftigt und entsetzt ein Vergewaltigungsfall und das geringe Strafmaß für den verurteilten Täter Brock Turner die Öffentlichkeit in den USA. Nun hat sich Joe Biden, US-Vizepräsident, in einem öffentlichen Schreiben an das Opfer gewandt. "Ich kenne Deinen Namen nicht", beginnt der Brief, den der Demokrat am vergangenen Donnerstag an das Internetportal Buzzfeed geschickt hat. "Aber deine Worte haben sich für immer in meine Seele gebrannt. Worte, die zu lesen für jeden Mann und jede Frau jeden Alters verpflichtend sein sollte." Biden bezieht sich damit auf ein Statement, mit dem die vergewaltigte Frau ihren Peiniger bei der Urteilsverkündigung in der vergangenen Woche im Gerichtssaal konfrontiert hat. "Du kennst mich nicht", beginnt auch dieser Brief, der später ebenfalls via Buzzfeed veröffentlicht wurde, "aber Du warst in mir und deshalb sind wir hier."

Im Januar 2015 hatte der 20-jährige Turner, ehemaliger Schwimmstar der Elite-Universität Stanford, auf dem Campus eine bewusstlose Frau sexuell missbraucht. Zwei Kommilitonen hatten den Vorfall zufällig bemerkt und waren eingeschritten. Im März 2016 wurde Turner von einer Jury in drei von fünf Anklagepunkten für schuldig befunden, in der vergangenen Woche dann das überraschend geringe Strafmaß verkündet.

"Ich kennen Deinen Namen nicht", schreibt Biden ein weiteres Mal in seinem Brief an das Opfer, "aber ich weiß, dass dich eine Menge Menschen in dieser Nacht im Januar und den folgenden Monaten im Stich gelassen haben." Der US-Vizepräsident prangert eine Kultur der Passivität an den Universitäten an, die Tragödien wie diese möglich mache. Eine Kultur, die auch befördere, dass sich das Opfer einer Vergewaltigung rechtfertigen müsse, ob ihr tatsächlich Gewalt angetan wurde. "Sex ohne beiderseitiges Einvernehmen ist eine Vergewaltigung. Punkt", schreibt Biden. Ihn beeindrucke der Mut der Frau, sich an die Öffentlichkeit zu wenden und zu kämpfen. "Deine Worte haben bereits das Leben von Menschen verändert."

© SZ vom 11.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: