USA:Doppelmord vor der Kamera

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Alison Parker (li.) arbeitete für einen Lokalsender, sie führte ein Interview über Tourismus, als die Schüsse fielen. (Foto: oh)

Eine Reporterin und ihr Mitarbeiter werden während eines Live-Interviews im US-Fernsehen erschossen - offenbar ein persönlicher Rachefeldzug eines früheren Mitarbeiters.

Von Nicolas Richter, Washington

Es beginnt mit einer leichten Plauderei, wie man sie im amerikanischen Frühstücksfernsehen so oft sieht, Journalisten nennen es einen "fluff shot", also ruhige Bilder zu einem weichen Thema. Alison Parker, die Reporterin des lokalen Fernsehsenders, interviewt live eine Frau, sie stehen entspannt am Bridgewater Plaza, einem Touristenziel im US-Staat Virginia. Es ist etwa 6.45 Uhr.

Die interviewte Frau spricht gerade über Tourismus und sagt: "Wir wollen, dass die Leute kommen." In diesem Augenblick hört man Schüsse, in kurzer Folge hintereinander abgefeuert. Die Reporterin blickt entsetzt in die Kamera und schreit, während der Kameramann die Kontrolle über sein Gerät verliert, es gleitet ihm offenbar aus den Händen und filmt dann am Boden weiter, während man von der Reporterin oder ihrer Gesprächspartnerin noch die Worte "Oh mein Gott" vernimmt.

Als die Regie wieder die Moderatorin Kimberly McBroom im Studio zeigt, blickt die entgeistert in die Kamera und sagt: "Okay, wir sind nicht sicher, was da passiert ist. Wir sagen Ihnen Bescheid, wenn wir wissen, woher diese Geräusche kamen." Wie sich später herausstellt, hat ein ehemaliger Mitarbeiter des Senders die Reporterin Alison Parker, 24, und Kameramann Adam Ward, 27, erschossen, mitten in einem Live-Interview. Die erschreckende Aufzeichnung des Lokalsenders WDBJ7 dokumentiert, wie das Grauen völlig unvermittelt in die frühmorgendliche Idylle eindringt. Schlimmer noch: Kurz darauf taucht im Internet ein Video auf, das den Vorfall aus anderer Perspektive, womöglich der einer Helmkamera, zeigt. Der Filmer nähert sich den beiden Frauen, dann fallen Schüsse.

In dem kleinen Lokalsender WDBJ7 ging es sehr familiär zu, alle Angestellten kannten einander. Adam Ward, der Kameramann, war mit einer Redakteurin des Frühstücksfernsehens verlobt, die in der Redaktion live mitverfolgt haben dürfte, wie Ward den Schüssen zum Opfer fiel. Auch die Reporterin war mit einem Mitarbeiter des Senders liiert, dem Anchorman Chris Hurst, der Stunden nach der Tat auf Twitter schrieb: "Wir wollten heiraten."

Mehrere Stunden nach der Tat erklärte der Gouverneur von Virginia, Terry McAuliffe, bei dem Tatverdächtigen handle es sich um einen früheren Mitarbeiter des Senders WDBJ7, offenbar war er Nachrichtenredakteur. Jeff Marks, Geschäftsführer des Senders, bestätigt bei "Fox News", der Mann sei "für viele ein sehr schwieriger Mitarbeiter" gewesen, es habe Streitereien zwischen dem mutmaßlichen Täter und den Opfern gegeben.

Die Polizei berichtete später, der 41-jährige Vester F. habe nach einer Autoverfolgungsjagd eine Straßensperre durchbrochen und sei von der Straße abgekommen. Mit einer Waffe nahm er sich selbst das Leben, er starb im Krankenhaus an den Schussverletzungen. Zuvor schickte er offenbar noch eine Art Manifest an den Fernsehsender ABC, das dieser nach eigenen Angaben per Fax fast zwei Stunden nach der Schießerei erhielt. Darin beschreibe der Autor, dass er als Schwarzer und Homosexueller "Diskriminierung, sexuelle Belästigung und Schikane bei der Arbeit" habe erleiden müssen.

© SZ vom 27.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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