USA:Dokumente über Missbrauch bei Pfadfindern veröffentlicht

Belege "für den Schmerz von Tausenden Boy Scouts": Hunderte führende US-Pfadfinder waren jahrzehntelang in den Missbrauch von Schutzbefohlenen verwickelt. Das belegen bislang unter Verschluss gehaltene "Akten der Perversion".

Jahrzehntelang haben die Boy Scouts in den USA Tausende Missbrauchsfälle in ihren eigenen Reihen verschwiegen und vertuscht, die Opfer mit ihrem Leid allein gelassen - nun wird das ganze Ausmaß auch öffentlich bekannt. Opferanwälte stellten am Donnerstag etwa 14.500 Seiten aus bislang vertraulichen "Akten der Perversion" der Pfadfinderbewegung ins Internet. Laut den Dokumenten waren allein in den Jahren 1965 bis 1985 mehr als 1200 führende Pfadfinder und andere Erwachsene in den Skandal verwickelt.

"Diese Akten sprechen für den Schmerz und die Seelenqualen von Tausenden Boy Scouts", sagte Opferanwalt Paul Mones bei der Vorstellung der Akten. Nach seinen Angaben missbrauchte oder belästigte jeder der mutmaßlichen Täter durchschnittlich fünf bis 25 seiner Schützlinge. "Wir wissen, dass die Zahl der Opfer in die Tausende geht, und dass die meisten niemals offen darüber sprechen werden."

Mones bescheinigte der Pfadfinderorganisation zwar Fortschritte im Kampf gegen Pädophilie. Doch bleibe noch viel zu tun: Die Boy Scouts müssten "aus den Akten lernen, wie Pädophile Organisationen unterwandern und wie sie vorgehen." Aus den Dokumenten geht hervor, wie die altehrwürdige Bewegung immer wieder auf den Missbrauch junger Schützlinge aufmerksam gemacht wurde, die Informationen aber entweder nicht an die Polizei weiterleitete oder sogar unterdrückte, um die Täter zu schützen.

"In einigen Fällen waren unsere Reaktionen unzureichend"

Als Beispiel schilderten die Opferanwälte einen Fall aus den achtziger Jahren, in dessen Mittelpunkt der Leiter einer von Mormonen geführten Pfadfinder-Gruppe stand. Obwohl seine Vorgesetzten von ihm selbst wussten, dass er schon zuvor Kinder missbraucht hatte, hatten sie ihn auf seinem Posten belassen. Er vergewaltigte in der Folge einen minderjährigen Jungen. Dem Mann war vor zwei Jahren der Prozess gemacht worden.

Die Boy Scouts hatten sich mit allen Mitteln gegen eine Veröffentlichung der Dokumente gewehrt - bis das Oberste Gericht von Oregon im Rahmen eines Missbrauchsprozesses die Offenlegung von 1200 Akten aus den Jahren 1965 bis 1985 anordnete. Der Vorsitzende der Bewegung, Wayne Perry, entschuldigte sich erneut bei allen Opfern und bekräftigte die Kooperationsbereitschaft mit den Behörden.

"Es gab Fälle, in denen Leute ihre Stellung ausnutzen, um Kinder zu missbrauchen, und in einigen Fällen waren unsere Reaktionen und unsere Schutz-Bemühungen eindeutig unzureichend, ungeeignet oder schlichtweg falsch", sagte er. Doch habe seine Bewegung daraus gelernt. Seit 2010 sind alle Pfadfinder-Vertreter angewiesen, schon bei Verdacht auf Missbrauch die Behörden einzuschalten.

Die Boy Scouts wurden 1910 gegründet. Heute hat die Bewegung etwa vier Millionen Mitglieder.

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