USA:Die Bibel verschwindet aus amerikanischen Hotels

Guideonbund in Deutschland

Eine Gideon-Bibel in einem Hotelzimmer

(Foto: epd)

Früher war sie fester Bestandteil jedes Zimmers, nun fehlt sie immer häufiger. Auch in deutschen Hotels wird die Bibel Mangelware.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wer derzeit ein amerikanisches Hotelzimmer betritt, der dürfte feststellen, dass sich seit dem letzten Besuch etwas verändert hat. Das meist eher hässliche Gemälde an der Wand ist zwar immer noch da, es gibt immer noch Mini-Shampoo-Flaschen in der Dusche und gleich daneben diesen Haartrockner, der sich anhört wie eine zirpende Grille und der leider kein einziges Haar trocknet. Was aber oft fehlt, das ist die Bibel in der Schublade neben dem Bett. Eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens STR hat ergeben, dass nur noch 48 Prozent der befragten US-Hotels die Heilige Schrift in ihren Zimmern bereitlegen. Vor zehn Jahren waren es noch 95 Prozent gewesen.

Zwar bezeichneten sich im Jahr 2014 einer Umfrage des Pew-Instituts zufolge immer noch 70,6 Prozent der US-Bürger als christlich. Trotzdem sagt Jeff Pack von der Nonprofit-Organisation Gideons International: "Der Rückgang reflektiert den zunehmenden Säkularismus und die Erosion des spirituellen Bewusstseins." Sein Verband ist weltweit für die Hotelzimmer-Bibeln verantwortlich, die evangelikalen Handlungsreisenden John Nicholson, Samuel Hill und William Knights gründeten die Vereinigung im Jahr 1899 und starteten neun Jahre später die Initiative "The Bible Project", deren Ziel es war, eine Bibel in jedem Hotelzimmer der USA zu platzieren. Mittlerweile hat die Organisation, die sich über Spenden finanziert, weltweit mehr als zwei Milliarden Bibeln in 200 Ländern verteilt - allein im vergangenen Jahr waren es Bücher im Wert von etwa 100 Millionen Dollar.

25 Prozent aller Hotelgäste lesen laut Gideon in den bereitgestellten Bibeln. Jedoch gibt es mittlerweile Flatscreen-Bildschirme mit 200 Fernsehkanälen und kostenlosem Internet in 98 Prozent aller amerikanischen Hotels. Statt eines Nachtkästchens mit Schublade für die Bibel findet der Gast eine Glasplatte - ohne Bibel.

Nichtgläubige nicht verärgern

Der deutsche Gideonbund mit Zentrale in Wetzlar gibt jährlich etwa 30 000 Bibel-Exemplare an Hoteliers weiter, führt aber genauso wenig Statistiken zu deren Verbreitung wie der Hotel- und Gaststättenverband. Die großen Konzerne verfahren uneinheitlich: Aus den Zimmern großer Hotelbetreiber wie Arcor mit seinen 340 Häusern sind die heiligen Bücher verschwunden, andere Ketten überlassen die Entscheidung über die Präsenz der Bibel den Verantwortlichen der einzelnen Häuser. Viele bieten religiöse Bücher nicht mehr im Zimmer, wohl aber zur Ausleihe an der Rezeption an. Marriott hat angekündigt, in den Häusern der Tochterfirmen Moxy und Edition keine religiösen Materialien mehr auszulegen. Man wolle die Angehörigen anderer Religionen und Nichtgläubige nicht verärgern, heißt es. Aufgrund des Designs der meisten Zimmer gebe es ohnehin keinen Platz für eine diskrete Bereitstellung.

Widerstand gegen die Gideon-Bibeln mit Einbänden in Braun und Blau für Hotels, in Weiß für Krankenhäuser und in Tarnfarben für Militäreinrichtungen gibt es bereits seit einigen Jahren. In Baden-Württemberg etwa darf das Buch seit Februar 2015 nicht mehr in Polizeistationen verteilt werden. Die Organisation Freedom From Religion Foundation hat 2015 die 15 größten Hotelketten aufgefordert, die Bücher nicht mehr in den Zimmern auszulegen.

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