USA:Das sagt einer der Retter über die Nacht des Stanford-Missbrauchs

USA: Brock Turner, den die zwei schwedischen Doktoranden stellten, auf dem Weg zur Urteilsverkündung.

Brock Turner, den die zwei schwedischen Doktoranden stellten, auf dem Weg zur Urteilsverkündung.

(Foto: AP)

Das Opfer war bewusstlos und erinnert sich nicht. Der Täter versucht, zu verharmlosen. Nun schildert einer der schwedischen Retter seine Sicht.

Von Lea Kramer

"Du kennst mich nicht, aber du warst in mir und deshalb sind wir heute hier." Mit diesem Satz beginnt der Brief, den das Opfer einer Vergewaltigung an ihren Angreifer bei der Urteilsverkündung am 2. Juni im Gericht des kalifornischen Palo Alto richtet. Die 23-Jährige berichtet darin von einem Trauma, an dessen Auslöser sie sich selbst nicht mehr erinnert. Von dessen Ablauf sie aus der Zeitung erfuhr und von ihren Rettern, die sie nie zu Gesicht bekam. Nun hat einer der beiden Retter seine Sicht des Abends geschildert.

Es ist der frühe Morgen des 18. Januar 2015. Der schwedische Doktorand Carl-Fredrik Arndt arbeitet neben seiner Promotion als Lehrassistent an der mathematischen Fakultät der Elite-Universität Stanford in Kalifornien. Peter Jonsson hat einen Master in Wirtschaftswissenschaft und Ingenieurwesen und schreibt ebenfalls an seiner Doktorarbeit. In dieser Nacht sind die beiden mit dem Fahrrad unterwegs zu einer Feier auf dem Campus.

Von weitem sehen sie, wie ein Mann und eine Frau hinter einer Mülltonne auf dem Boden liegen. "Wir sahen, dass sie sich nicht bewegte, während er sich sehr stark bewegte", sagt Arndt nun der schwedischen Zeitung Expressen.

"In dieser Geschichte gibt es Helden"

Die Situation kommt den beiden Schweden seltsam vor. Sie halten ihre Räder an und gehen auf das vermeintliche Paar zu. Als daraufhin der Mann aufsteht, sehen sie, dass die Frau regungslos daliegt. "Was zum Teufel machst du da?", hätten sie gefragt. Nach einem kurzen Wortwechsel habe der Mann, es ist der damals 19-jährige Schwimmer und Stanfords Olympia-Hoffnung Brock Turner, die Flucht ergriffen.

Während sich Arndt um die Frau am Boden kümmert, rennt Jonsson Turner hinterher. Er überwältigt ihn, hält ihn fest und ruft anschließend die Polizei. In seinem Brief beschreibt das Opfer mit drastischen Worten, wie die Schweden es wohl vorfanden: "Bewusstlos, mit zerzausten Haaren, einer langen Kette um den Hals geschlungen, dem BH aus dem Kleid herausgerissen, das Kleid über den Schultern und über die Hüfte geschoben, nackt bis zu den Stiefeln, die Beine gespreizt." Die Frau, die vermutlich durch zu viel Alkohol im Blut noch vor ihrer Vergewaltigung das Bewusstsein verlor und später im Krankenhaus aufwachte, erfuhr von alledem erst aus der Presse.

Im Prozess sind die beiden Schweden als Zeugen geladen. Der Angeklagte wird von einer Jury in drei Anklagepunkten für schuldig befunden. Anstatt sechs Jahren, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, erhält er schließlich aber lediglich sechs Monate in einem Gefängnis im Bezirk. Angesichts der milden Strafe wird an dem Fall beispielhaft der Umgang mit sexueller Gewalt diskutiert. Die Botschaft des Opfers aus dem Gerichtssaal wird millionenfach geteilt.

In ihrem Brief bedankt sich die 23-Jährige bei ihren "Helden", den "bösen Schweden", die der Vergewaltiger während des Prozesses habe zu Tätern stilisieren wollen. "An der Wand über meinem Bett hängen zwei Fahrräder, die ich gezeichnet habe. Sie sollen mich daran erinnern, dass es in dieser Geschichte Helden gibt. Daran, dass wir aufeinander aufpassen. Diese Menschen zu kennen, ihren Schutz und ihre Liebe zu spüren, ist etwas, das ich nie vergessen werde."

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