USA:Das macht Schule

USA: Die meisten Protestierenden waren schon auf der Welt, als 1999 der Amoklauf an der Columbine High School die USA erschütterte. Und sie haben genug von den stetig wiederkehrenden Massenschießereien.

Die meisten Protestierenden waren schon auf der Welt, als 1999 der Amoklauf an der Columbine High School die USA erschütterte. Und sie haben genug von den stetig wiederkehrenden Massenschießereien.

(Foto: Olivier Douliery/afp)

Eines ist nach der Schießerei von Florida anders: die lauten Proteste der Jugendlichen. Sie lassen viele Amerikaner hoffen, dass sich der Kampf für schärfere Waffengesetze lohnt.

Von Alan Cassidy

Bringt dieser Amoklauf nun schärfere Gesetze?", fragt das Wall Street Journal. "Wird diese Schießerei unsere Waffenkultur verändern?", fragt der Radiosender NPR. "Führt der Horror zu einem Umdenken in der Waffendebatte?", fragt CNN.

Diese Schlagzeilen sind alt. Zu lesen waren sie 2007, nach dem Amoklauf auf einem Universitätscampus in Virginia. 2012, nach der Schießerei an der Grundschule von Sandy Hook. Und 2017, nach dem Anschlag auf Konzertbesucher in Las Vegas. Dreimal ein Massaker. Dreimal die Hoffnung, dass nun endlich etwas geschehen werde. Dreimal Enttäuschung.

Nun hoffen viele erneut. Auf den Zorn der Schülerinnen und Schüler, die das jüngste Grauen an einer Schule in Florida überlebt haben: Sie haben es zumindest schon geschafft, dass die Debatte über Amerikas Waffen länger geführt wird als nur ein paar Tage. Und auf Donald Trump, der als Präsident mit einer Mehrheit im Kongress wenigstens kleine Regulierungen durchsetzen könnte, gerade weil er als Republikaner mehr Spielraum hat als sein Vorgänger. "Wird diesmal alles anders?", fragt das Magazin The Atlantic.

Einige Anzeichen dafür gibt es. Die Wut der Jugendlichen, die mit ihren Demos für schärfere Waffengesetze die Berichterstattung dominieren, gründet in einer verstörenden Realität. Die Schießerei von Parkland zeigt, wie sehr junge Menschen in den USA von Waffengewalt betroffen sind: Jeden Tag werden 19 Kinder und Jugendliche in einer amerikanischen Notaufnahme wegen einer Schusswaffenverletzung behandelt. Neun von zehn Kindern, die in hoch entwickelten Ländern an Schusswaffen sterben, sind Amerikaner.

Die Bürgerbewegung gegen Waffengewalt hat einen riesigen Protestmarsch angekündigt

Dazu kommt ein Umstand, auf den viele Jugendlichen bei ihren Kundgebungen hingewiesen haben: Sie sind die erste Generation der Opfer von Waffengewalt, die schon auf der Welt waren, als 1999 mit dem Amoklauf an der Columbine High School das unselige Zeitalter der Massenschießereien an Schulen begann. Sie sind damit aufgewachsen, sie kennen nichts anderes - und sie haben genug davon. Dass diese Teenager nun Zielscheibe geworden sind von rechten Medien, die sie in Verschwörungstheorien als gesteuerte Agenten darstellen, war eine der hässlicheren Geschichten dieser Woche.

Was hingegen stimmt, ist: Es sind nicht mehr nur die Waffenfreunde, die gut organisiert sind. Auch die Gegner sind heute besser aufgestellt als früher. Abgeordnete im Kongress und in den Bundesstaaten erhielten diesmal viel rascher viel mehr Anrufe und E-Mails, die sie zum Handeln drängten. Es gibt inzwischen eben auch eine Lobby all jener, die schärfere Waffengesetze wollen, höhere Auflagen und mehr Regulierung. Neu ist auch, dass viele demokratische Politiker die Angst vor der National Rifle Association (NRA) verloren haben.

Man sah all dies auch an den empörten Reaktionen auf Trumps Vorschlag, Lehrer an Schulen zu bewaffnen, damit sie Amokläufer gleich selber niederschießen können. Der Präsident hatte diese Idee nicht selbst, die NRA wirbt damit schon länger. Sie folgt damit einem ihrer Leitsprüche: "Only a good guy with a gun can stop a bad guy with a gun". Nur: An der Schule in Parkland gab es einen "good guy". Es war der Hilfspolizist des zuständigen Bezirks. Der stand bewaffnet und uniformiert vor dem Schulgebäude, während drinnen die tödlichen Schüsse fielen. Dafür ist der Mann jetzt entlassen worden. Man konnte die Abscheu seines Vorgesetzten erahnen, als er sagte, der Polizist hätte "hineingehen, den Täter stellen und den Killer töten" müssen. Dienstpflicht nicht erfüllt.

Hoffnungen macht auch, dass die Amerikaner schärferen Auflagen gar nicht so ablehnend gegenüberstehen, wie das manchmal den Anschein hat. 89 Prozent sprechen sich in einer Umfrage des Pew-Instituts dafür aus, den Waffenverkauf an psychisch kranke Menschen einzuschränken. 84 Prozent würden die Einführung von Background-Checks bei Privatverkäufen und auf Waffenmessen begrüßen. Und mehr als 80 Prozent sind für ein Verbot von Waffenverkäufen an Leute, die auf einer No-Fly-Liste stehen.

Anders sieht es aus, wenn aus konkreten Fragen abstrakte werden - wenn sich die Amerikaner entscheiden müssen, ob sie grundsätzlich für schärfere Waffengesetze sind oder für ein möglichst uneingeschränktes Recht auf Waffenbesitz. Dann zeigt sich in allen Umfragen die Spaltung, wie sie in den USA bei allen Themen zu sehen ist, die an die Identität rühren. Und genau das ist einer der Erfolge der Waffenlobby: Dass sie es immer wieder schafft, Debatten über einzelne Maßnahmen zu einer Identitätsfrage zu machen.

Versuchen wird sie das auch jetzt wieder.

Zuerst aber: Hoffnung. Eine halbe Million Teilnehmer erwarten die Organisatoren des nationalen Protestmarschs gegen Waffengewalt, der am 24. März in Washington stattfindet. Vielleicht wird ja diesmal alles anders.

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