US-Fast-Food-Kette gegen Homo-Ehe:Gleichgeschlechtliche Liebe geht durch den Magen

Einen Fleischklops zu kaufen, kann jetzt ein politisches Statement sein: In den USA sorgt der Chef der Fastfoodkette "Chick-fil-A" für Aufsehen, weil er sich gegen die Homoehe ausspricht. Während sich die Republikaner demonstrativ mit den Hühnerburgern vollstopfen, rufen die Demokraten zum Boykott der Filialen auf.

Christoph Hickmann

Das hier, sagt Dave Norck, sei ein Statement. Er hebt die Papiertüte in seiner Hand etwas höher. In der Tüte befinden sich ein paniertes Stück Hühnerbrust zwischen zwei Weißbrotscheiben und einige Schokokekse. Dave Norck, 60, Versicherungsangestellter, Seitenscheitel, Polohemd, steht am Freitag zur Mittagszeit vor einer Filiale des Schnellrestaurants Chick-fil-A in Chicago. Er sagt, im ganzen vergangenen Jahr sei er nur zwei Mal hier gewesen. "Aber jetzt komme ich zwei Mal die Woche."

Ally Wells and Heather Michelle, participate during the nationwide 'kiss-in'  at a Chick-Fil-A restaurant in the CNN center in Atlanta.

"Wir wissen besser, was eine Ehe ausmacht": Um gegen Firmenchef Dan Cathy zu protestieren, treffen sich Homosexuelle zum Kiss-in vor seinen Filialen.

(Foto: REUTERS)

Es ist in den USA dieser Tage ziemlich einfach, ein Statement abzugeben, politischer, religiöser oder moralischer Art, die Dinge gehen da ein bisschen durcheinander. Es kann jetzt ein Statement sein, einen Hühnerburger zu kaufen. Dank Dan Cathy.

Dan Cathy ist Chef der auf Hühnerburger spezialisierten Schnellrestaurantkette Chick-fil-A, die kein Gigant der Branche, aber vor allem im Süden des Landes stark vertreten ist und deren Namen man so ähnlich ausspricht wie Chick-Filet, nur eben mit "äi" am Ende. Cathy hat sich kürzlich im Radio zur Homoehe geäußert, er sagte: "Ich glaube, dass wir Gott dazu einladen, über uns zu richten, wenn wir unsere Faust ihm gegenüber schütteln und sagen ,Wir wissen besser, was eine Ehe ausmacht'." Seitdem ist der Hühnerburger eine recht aufgeladene Angelegenheit.

Auf der einen Seite stehen jene, die im Internet verkünden, nie wieder bei Chick-fil-A essen zu wollen, die Unterschriften sammeln und homosexuelle Paare dazu aufrufen, sich in oder vor einer Chick-fil-A-Filiale zu küssen. Hinter ihnen stehen mehrere Bürgermeister, die Chick-fil-A am liebsten aus ihrer Stadt werfen würden und das auch kundtaten, was allerdings selbst solche Leute bedenklich fanden, die Dan Cathy für durchgeknallt halten.

Auf der anderen Seite stehen all jene, die der Kette am Mittwoch nach deren Angaben einen Rekordumsatz bescherten. Sie folgten dem Aufruf des Republikaners Mike Huckabee, der mal Gouverneur von Arkansas war, 2008 gern Präsident geworden wäre und den Mittwoch zum "Chick-fil-A-Wertschätzungstag" erklärt hatte.

"Die Werte von Chick-fil-A sind nicht die Werte von Chicago"

In Chicago ist die Sache noch einmal besonders aufgeladen. Hier kündigte der zuständige Ratsherr per Namensbeitrag in der örtlichen Tribune an, er werde verhindern, dass die Kette in seiner Stadt eine zweite Filiale eröffne. Auch Bürgermeister Rahm Emanuel, einst Stabschef von Präsident Obama, hielt plötzlich nicht mehr ganz so viel von Meinungsfreiheit: "Die Werte von Chick-fil-A sind nicht die Werte von Chicago."

Bei der Tribune kamen daraufhin Leserbriefe an, in denen Menschen verkündeten, sie hätten ihre Chicago-Reise abgesagt, weil der Bürgermeister etwas gegen die Ehe zwischen Mann und Frau habe.

Dave Norck, der Versicherungsmann mit dem Seitenscheitel, hat nun vor der Filiale in Chicago eine ganze Weile über Gott geredet und darüber, dass die Homoehe alles zerstören werde. Es ist nicht allzu viel los, um ihn herum stehen etwa zehn Leute, die meisten einfach Neugierige.

Jetzt zieht Norck eine kleine Broschüre hervor, auf deren erster Seite steht "Ich war schwul" und in der es kurz gefasst darum geht, wie ein junger Mann mit Gottes Hilfe bemerkt hat, dass er Frauen doch ganz toll findet. Viel beten, so steht es da drin, soll helfen. Dave Norck gibt einem die Broschüre und sagt: "Jesus liebt dich."

Zwei Meter weiter steht ein junger Mann mit einer pinkfarbenen Sonnenbrille. Er ist Jurastudent, sammelt Unterschriften für die Homoehe und sagt, Mister Cathy habe, klar, jedes Recht zu sagen, was er sagen wolle. "Aber wir haben genauso jedes Recht, seinen Laden zu boykottieren."

Ganz so gelassen sehen das allerdings nicht alle seiner Mitstreiter, jedenfalls bekommt man kurz danach von einem weiteren Aktivisten eine etwas verworrene Beweiskette präsentiert, derzufolge Mister Cathy eine Art Mörder sei.

Amerikaner haben, man sieht das schnell, ein sehr inniges Verhältnis zu ihren Fastfood-Restaurants. Es kann eine Art Glaubensfrage sein, zu welcher Kette man sich bekennt. Insofern war es vielleicht nur eine Frage der Zeit, bis der Kulturkampf um die Homoehe sich einmal mit der Debatte über die beste Würzmischung vermengen würde.

Kiss-ins vor den Filialen

Chick-fil-A war dafür nicht erst prädestiniert, seit Dan Cathy, Sohn des Firmengründers, vor dem jüngsten Gericht gewarnt hat. Das Familienunternehmen ist streng an christlichen Werten ausgerichtet und deshalb beispielsweise am Sonntag geschlossen. Kritiker werfen der Firma vor, Kampagnen zu unterstützen, die Homophobie schüren.

Vor der Filiale wird es jetzt belebter, drei Paare sind dazugekommen, dreimal Mann und Frau in Anzug und Hochzeitskleid. Einer der Männer heißt Alan Hansen, arbeitet "im Sicherheitsgewerbe" und sagt auf die Frage, warum sie hier seien: "Jesus ist nicht gestorben, damit alle Menschen tun können, was sie wollen." Jesus wolle, dass ein Mann sich eine Frau nehme. Margie, 46, Hausfrau, nickt. Dann küssen sie sich, für die Kameras.

Alan, 52, redet danach viel über Treue. Am Ende stellt sich heraus, dass er und Margie elf Kinder haben, was allerdings daran liegt, dass dies Alans dritte und Margies zweite Ehe ist. Außerdem macht Alan noch darauf aufmerksam, dass einen Meter weiter gerade die amtierende Mrs. Illinois, ebenfalls im Brautkleid, von ihrem Ehemann geküsst werde.

Sie sei, sagt Alan, gerade von der Wahl zur Mrs. USA zurückgekehrt, bei der sie aber leider nicht gewonnen habe. "In Las Vegas." Da wäre Jesus wahrscheinlich auch ganz gern mal hingefahren.

Drinnen in der Filiale ist es übrigens ruhig. Fragt man die Leute dort, warum sie hier sind, loben die meisten das Essen und sagen, die ganze Sache sei wohl ein bisschen unverhältnismäßig groß geworden.

Ganz beruhigend, eigentlich. Aber um acht Uhr abends muss man ja noch mal wiederkommen. Für acht Uhr ist organisiertes Küssen angesetzt, ein Kiss-in, gleichgeschlechtlich, höchst subversiv.

Das Kiss-in sieht dann so aus, dass vor der Filiale zehn Leute stehen, von denen einer ein Regenbogenfähnchen schwenkt. Zwei Männer küssen sich, sie tun das sehr laut, es ist da wohl einiges an Flüssigkeit im Spiel, doch am Ende werden sie trotzdem von dem Mann übertönt, der aus der Bibel vorliest, "seit eineinhalb Stunden", sagt der mit dem Fähnchen.

Man geht also lieber wieder rein und isst noch einen von den Hühnerburgern. Die sind, trotz allem, gar nicht so schlecht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: