Urteil zu häuslicher Gewalt in Kiel:Mehr als zehn Jahre Haft nach tödlichem Prügelexzess

Tagelang prügelte ein 29-Jähriger auf seine Freundin ein, die Frau verblutete qualvoll. Das Kieler Schwurgericht hat den Mann jetzt zu mehr als zehn Jahren Haft verurteilt. Mord ließ sich dem Gewalttäter jedoch nicht nachweisen.

Wegen eines tagelangen Gewaltexzesses, bei dem seine Freundin qualvoll verblutete, muss ein 29-Jähriger für zehn Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Das Kieler Schwurgericht hat den Angeklagten am Freitag wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt.

Einen Mord durch Unterlassen, für den der Staatsanwalt 14 Jahre und neun Monate Haft gefordert hatte, sah die Kammer nicht.

Angehörige reagierten nach der Urteilsbegründung lautstark und empört. Noch im Gerichtssaal kam es zu tumultartigen Szenen, als Angehörige unter Beschimpfungen auf den Angeklagten zustürmen wollten. Justizbeamte mussten sie zurückhalten. Vor dem Saal wurden die Verteidiger des Mannes lautstark attackiert. Sie wollten das Gericht anschließend vorsorglich über einen Nebenausgang verlassen. Die Mutter hatte das Urteil unter Tränen angehört, am Ende aber auch ihrer Empörung Luft gemacht.

Das Martyrium des Opfers setzte nach den Feststellungen der Kammer am 6. November 2011 mit ersten Schlägen ein. Grund: rasende Eifersucht des Angeklagten. Der Mann, der schon in früheren Beziehungen immer wieder massiv zuschlug und deswegen mehrfach vorbestraft ist, verdächtigte seine 20-jährige Freundin, ihn mit seinem Onkel zu betrügen.

Bis zu ihrem Tod am 12. November schlug und trat der Angeklagte dann weiter zu, sagte der Vorsitzende Richter Jörg Brommann. Schließlich soll sie den Seitensprung gestanden haben. "Es spricht vieles dafür, dass er das Geständnis herausgeprügelt hat, aber sicher feststellbar ist das nicht", erklärte das Gericht. Am Ende der Gewalttaten waren Gesicht und Körper der 20-Jährigen mit offenen Wunden und Blutergüssen übersät. Nase, Kiefer und Rippen waren zum Teil mehrfach gebrochen. Die Frau verblutete nach innen und außen, wie es hieß. "Das Schlafzimmer sah verheerend aus, ihre Leiche war in gruseligem Zustand", sagte Brommann.

Dennoch konnte der Angeklagte nach Überzeugung des Gerichts ihren Tod nicht vorhersehen. Er habe ihn auch nicht beabsichtigt, sagte der Richter. Er sei sich der Auswirkungen seiner Tat nicht bewusst gewesen. "Die inneren Blutungen waren für ihn nicht zu erkennen."

Gegen den bedingten Vorsatz des Angeklagten spreche auch, dass er versuchte, die äußeren Wunden notdürftig zu versorgen. Er besorgte mehrfach Schmerzmittel, Verbandsmaterial und Kühlkompressen. "Das erzeugt bei der Kammer erhebliche Zweifel, dass er den Todeseintritt für möglich hielt,", sagte der Vorsitzende. "Dass er ihn dann auch noch billigte, ist noch zweifelhafter."

Die junge Frau, die den Angeklagten erst kurz kannte, hatte unter seinem Einfluss ihren Lebensstil komplett geändert. Sie trug plötzlich lange Röcke und blieb ungeschminkt. Wie schon in seinen früheren Beziehungen kontrollierte der Angeklagte aus Eifersucht auch ihre Handydaten und Telefonate, ließ sie nicht mehr allein aus dem Haus. Eine Ex-Freundin hatte der Angeklagte so verprügelt, dass sie mit Kieferbruch längere Zeit im Krankenhaus lag. Mit einer anderen früheren Freundin telefonierte der Mann auch während der Prügelorgie. Sie riet ihm vergeblich, sein Opfer ärztlich versorgen zu lassen.

Die Verteidigung hatte wegen Körperverletzung mit Todesfolge sechs Jahre Haft und eine Drogentherapie im Maßregelvollzug gefordert. Sie will ebenso wie Staatsanwalt und Nebenklage eine Revision prüfen. Der Staatsanwalt zeigte sich nicht überrascht vom Urteil. Mit dem Strafmaß von mehr als zehn Jahren gebe die Kammer "das Signal, dass die Gesellschaft nicht bereit ist, solche Besitzergreifung und Gewalt hinzunehmen".

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