Urteil im Fall Tuğçe:Recht sprechen, nicht Rache üben

Urteil im Tugce-Prozess

Überraschend hart? Oder viel zu niedrig? Auf das Urteil im Tuğçe-Prozess gibt es ganz unterschiedliche Reaktionen.

(Foto: dpa)

Der Wunsch nach Vergeltung im Fall Tuğçe ist emotional verständlich. Aber ein Gericht darf sich von solchen Gefühlen nicht beeinflussen lassen. Erst recht nicht, wenn das öffentliche Urteil über den Täter schon feststeht.

Von Joachim Käppner

Die Reaktionen auf das Urteil im Fall Tuğçe sind so gegensätzlich, dass man fast glauben könnte, die Rede sei von zwei verschiedenen Fällen. Den einen, vor allem der Verteidigung, erscheint das Strafmaß von drei Jahren zu hart. Die anderen, vor allem die Kommentatoren in den sozialen Netzwerken, würden den Täter am liebsten noch sehr viel länger im Gefängnis sehen.

Der Wunsch nach Vergeltung, nach höherer Strafe, ist emotional verständlich, vor allem bei der Familie des Opfers. Ihre Tochter ist tot und nichts wird sie zurückbringen. Drei Jahre Haft, bei guter Führung sicher weniger, auf der einen Seite. Auf der anderen ein ausgelöschtes Leben. Aber ein Gericht darf sich von solchen Gefühlen nicht beeinflussen lassen, erst recht nicht, wenn das öffentliche Urteil über den Täter schon feststeht, bevor er das erste Mal auf der Anklagebank saß. Das Gericht muss Recht sprechen, nicht Rache üben.

Eine Frage der Perspektive

Umgekehrt ist nun tadelnd von einem "überraschend harten Urteil" die Rede. Das ist natürlich eine Frage der Perspektive. Sanel M. hat eine junge Frau so fest geschlagen, dass sie stürzte und starb, auch wenn er ihren Tod nicht gewollt hat.

Die Verteidigung hatte eine Bewährungsstrafe gefordert und hält das Strafmaß für viel zu hoch. Nun hat das deutsche Jugendstrafrecht zwar die Rückfallquoten massiv gesenkt und setzt Resozialisierung vor Strafe. Aber das bedeutet nicht, dass ein junger Täter in diesem Strafrecht keine Verantwortung mehr übernehmen muss für das, was er angerichtet hat. Genau diese Verantwortung fordert das Urteil nun ein.

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