Unwetter über Deutschland:"Wir haben Ausnahmezustand"

Heftige Unwetter fegen über Deutschland hinweg - und bringen das öffentliche Leben teilweise zum Stillstand. In Hessen regnet es binnen einer Stunde mehr als sonst in einem Monat, in der Oberpfalz werden zehn Menschen verletzt. Besonders hart trifft es Hamburg: Dort muss die Feuerwehr mehr als 1250 Mal ausrücken.

Starke Gewitter, heftige Regenschauer und Hagel haben von Hamburg bis ins Allgäu erhebliche Schäden verursacht. In Bayern wurden zehn Menschen verletzt, in Hamburg wurde die Feuerwehr in sechs Stunden zu mehr als 1200 Einsätzen gerufen. In Essen, Mainfranken oder Oberbayern wurden laut Deutschem Wetterdienst (DWD) bis zu drei Zentimeter große Hagelkörner gemeldet. Eine erhöhte Unwetter-Gefahr sehen Meteorologen für den Niederrhein, das Sauerland und das Weserbergland. Erst am Mittwoch soll sich das Wetter allmählich wieder beruhigen, am Dienstagnachmittag ist aber zunächst wieder mit Gewittern und starkem Regen, vereinzelt auch mit Hagel und Sturmböen, zu rechnen.

Unwetter über Hamburg

Unwetter in Hamburg: Nach heftigen Regenfällen steht der Hauptbahnhof unter Wasser.

(Foto: dpa)

|| Hamburg: Starker Regen hat am Montagabend mitten im Berufsverkehr zahlreiche Straßen in Hamburg unter Wasser gesetzt und zu einem Verkehrschaos geführt. Keller von Geschäften, Hotels und Theatern liefen voll, Unterführungen und U-Bahn-Eingänge waren überschwemmt. "Die gesamte Stadt ist betroffen", sagte ein Feuerwehrsprecher. "Wir haben Ausnahmezustand." Ein Mann wurde vom Blitz getroffen und kam schwer verletzt ins Krankenhaus. Mehr als 1000 Feuerwehrleute waren im Einsatz - und wurden unter anderem zum Rathaus, zur Innenbehörde und zum Hauptbahnhof gerufen. "Da war überall Wasser im Keller", hieß es. Auch die Staatsoper, das Hotel Atlantic, das Alstertal-Einkaufszentrum im Stadtteil Poppenbüttel und die Europa-Passage in der Innenstadt waren betroffen. "In Bergedorf war ein ganzer Straßenzug überschwemmt", berichtete der Sprecher. An der Alster flossen die Wassermassen von einer überfluteten Straße in die Außenalster. Wer mit dem Boot auf der Alster war, rettete sich an Land. An Unterführungen wie etwa am Hauptbahnhof lief das Wasser "sturzbachmäßig runter", sagte der Sprecher. Auto- und Fahrradfahrer kamen auf den überfluteten Straßen kaum vorwärts. Gullydeckel wurden vom Wasser hochgedrückt. An einer Hauptverkehrsachse, der Willy-Brandt-Straße, drohte die Fassade eines Gebäudes einzustürzen. Am Mittelweg schöpften Mitarbeiter mit Eimern und Mülleimern Wasser aus einem Geschäft. Unter den heftigen Regen mischten sich erbsengroße Hagelkörner, ein Gewitter zog über die Hansestadt hinweg. Die Feuerwehr rückte wegen des Wetters innerhalb von gut drei Stunden zu mehr als 765 Einsätzen aus - eine rekordverdächtige Zahl. Ein Ausnahmezustand, der vor allem die Innenstadt und östliche Bereiche Hamburgs betraf, konnte erst in der späten Nacht wieder aufgehoben werden. Am Flughafen gab es kurzzeitig keine Starts und Landungen, eine S-Bahn-Linie war stundenlang lahmgelegt.

|| Hessen: In der Stadt Alsfeld im Vogelsbergkreis schwoll der kleine Fluss Berf bereits am Sonntagabend innerhalb von 20 Minuten zu einem reißenden Strom von 60 Metern Breite an und riss Brücken und Fahrzeuge weg. Die Schäden gehen nach Polizeiangaben in die Hunderttausende Euro. Eine Frau war von dem Fluss mitgerissen worden und konnte leicht verletzt gerettet werden. Der DWD registrierte 101 Liter Regen pro Quadratmeter. "Das ist fast das Doppelte der üblichen Monatsmenge", sagte Meteorologe Helmut Malewski vom DWD in Offenbach. Auch die nahe gelegene Autobahn A5 wurde zeitweise gesperrt. In ganz Hessen mussten sich die Hilfskräfte außer weggerissenen kleinen Brücken und fortgeschwemmten Fahrzeugen vor allem um überschwemmte Keller kümmern. Örtlich fielen auch Strom- und Telefonverbindungen aus. In Frankfurt brannte ein Dachstuhl völlig aus. Die Feuerwehr vermutet einen Blitzeinschlag als Ursache.

|| Nordrhein-Westfalen: Nach den schweren Unwettern vom Wochenende ist am Montag eine weitere Unwetterfront über das Bundesland gezogen. "Die ist aber zwei Stufen schwächer als die vom Sonntag", sagte DWD-Meteorologe Günther Hamm. Im Südwesten Nordrhein-Westfalens kam es stellenweise zu Gewittern und starken Regenfällen. Es blieb aber zunächst bei Niederschlägen von weniger als 20 Litern pro Quadratmeter. Am Sonntag waren etwa in Lennestadt 80 Liter niedergegangen. In Königswinter bei Bonn kam bei dem heftigen Unwetter ein 13-jähriges Mädchen ums Leben. In einem Eifeler Wildpark hatten am Sonntag Blitze mindestens 30 Hirsche getötet.

|| Bayern: Die Unwetter haben vor allem den Süden und den Norden Bayerns schwer getroffen. Allein im Landkreis Oberallgäu meldeten die Polizeistationen über hundert überflutete Keller und Straßen. Bei Sonthofen staute sich in Bächen Schwemmholz, es gab Schlammlawinen. Die Bahnlinie Immenstadt-Oberstdorf musste vorübergehend gesperrt werden, weil Geröll auf die Gleise gerutscht war. Aus Kaufbeuren und Umgebung wurde starker Hagelschlag gemeldet. In Buchloe und seinen Nachbargemeinden lag eine bis zu zehn Zentimeter starke Schicht von Hagelkörnern. Ein Blitzeinschlag in ein Wehr bei Ochsenfurt nahe Würzburg legte die Schifffahrt auf dem Main für einige Stunden lahm. Heftige Gewitter mit starken Niederschlägen gingen auch in der Oberpfalz nieder. Vor allem in den Landkreisen Tirschenreuth, Amberg-Sulzbach und Neustadt an der Waldnaab mussten die Hilfskräfte immer wieder ausrücken. Dort liefen Keller voll, Gullydeckel wurden ausgehoben und Straßen mit Schlamm und Geröll überschwemmt. In Althenthann (Landkreis Regensburg) schlug ein Blitz in ein Wohnhaus ein und verursachte einen Schwelbrand. Mehrere Straßen wurden wegen Überflutung gesperrt. Innerhalb von drei Stunden gab es mehr als 100 Einsätze. Bei insgesamt 17 Unfällen wurden zehn Menschen verletzt. Die Autobahn 93 zwischen Windischeschenbach und Falkenberg musste wegen Überflutung kurzzeitig gesperrt werden.

|| Rheinland-Pfalz: Im nördlichen Rheinland-Pfalz trat durch starken Regen ein Bach im Landkreis Mayen-Koblenz an mehreren Stellen über die Ufer und verursachte einen Erdrutsch. Die Erdmassen blockierten eine nahegelegene Landstraße. Sie wird nach Angaben der Polizei noch für einige Tage unpassierbar bleiben.

II Berlin: Der Sturm über Berlin tobte am Abend zwar nur anderthalb Stunden, doch die Feuerwehr musste mehr als 80 Mal ausrücken. Allein 58 Wasserschäden seien zwischen 19.30 und 21.30 Uhr gemeldet worden, sagte ein Feuerwehrsprecher. Etliche Keller liefen voll, besonders im Südosten der Stadt, in Mitte und in Prenzlauer Berg. Auf den Straßen bildeten sich riesige Pfützen, der Verkehr rollte teilweise nur sehr langsam. Verletzte gab es nicht. Auch der Flugverkehr war am Montagabend von dem Gewitter betroffen. Acht Flugzeuge, die eigentlich in Berlin-Tegel landen sollten, wurden umgeleitet.

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