Unterhaltsstreit:Verbotene Liebe

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Der Bundesgerichtshof verhandelt über eine Mutter, die keinen Unterhalt bekommt, seit sie mit einer Frau lebt.

Constanze von Bullion

Es gibt Gerichtsverfahren, von denen man eigentlich dachte, dass es sie schon lange nicht mehr gibt. Der Prozess über Frau K. ist so eines, sie ist Mutter von fünf Kindern und streitet seit fünf Jahren um Trennungsunterhalt. Die Sache ist von grundsätzlicher Natur, und am Mittwoch wird sie den Bundesgerichtshof beschäftigen.

Am Donnerstag will der Bundesgerichtshof sein Urteil im Unterhaltsstreit bekanntgeben. (Foto: Foto: dpa)

Frau K. kommt aus Schwedt in Brandenburg, also aus einer Stadt, die mal Menschen aus der ganzen DDR angezogen hat, auch wenn man sie nicht unbedingt schön nennen kann. In Schwedt an der Oder wurde 1960 eine Raffinerie gebaut, die Erdöl aus dem Ural verarbeitete. Es gibt sie noch, und auch Herr K. ist noch in der Stadt, in der er seine Frau kennengelernt und 1975 geheiratet hat.

Das erste gemeinsame Kind war damals anderthalb Jahre alt, und es wurden vier weitere Kinder in diese Ehe geboren, die 25 Jahre lang hielt. Herr K. hat während dieser Ehe studiert und wurde Ingenieur. Frau K., die in der DDR Ökonom gelernt hatte, ging arbeiten, so lange es Arbeit gab, und zog ihre fünf Kinder groß. Bis sie im Februar 2000 einen Brief schrieb.

"Große Unbilligkeit"

Es stand da wohl drin, dass sie Herrn K. verlassen würde, für immer. Drei Kinder lebten noch zu Hause, sie waren 19, 16 und neun Jahre alt. Zwei von ihnen haben vor Gericht gesagt, ihre Mutter hätte ihnen kurz vor dem Auszug erklärt, sie würden beim Vater bleiben. Dann packte sie ein paar Sachen und war weg.

All das hätte wohl wenig Aufsehen erregt, wäre Frau K. nicht zu Frau M. gezogen, in die sie sich später verliebte. Die beiden sind ein Paar geworden, und Herrn K. hat das alles wohl so aufgeregt, dass er seiner entlaufenen Frau keinen Trennungsunterhalt zahlen will, auch nicht für die Zeit bis zur Scheidung im März 2003. Also hat Frau K. ihn verklagt.

Trennungsunterhalt, so will es das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), muss ein Ehepartner zahlen, wenn der andere sich nach längerer Ehe nicht ohne ihn über Wasser halten kann, ein Kind großzieht oder krank ist. Nach Paragraph 1579 BGB kann dieser Unterhalt jedoch "wegen grober Unbilligkeit" versagt werden. Etwa, weil der Geldempfänger ein Verbrechen gegen den Geldgeber begangen hat. Oder weil er ein "offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten" gezeigt hat. Letzteres sei bei Frau K. der Fall, entschied das Amtsgericht Schwedt 2003.

Der Ausbruch aus einer intakten Ehe sei ihr vorzuwerfen

Man fragt sich, worin genau das Fehlverhalten der Frau K. besteht. Darin, dass eine fünffache Mutter sich in eine Frau verliebt? Oder darin, dass sie so ihre Familie verlässt? Das ist bei Vätern, die ausziehen, kein seltenes Verhalten. Die Direktorin des Amtsgerichts Schwedt befand, Frau K. habe "pflichtwidrig die geistig-seelische Ehegemeinschaft aufgehoben" und so ihren Unterhalt verwirkt. Dabei sei es unerheblich, ob sie vor der Ehe "intimen Kontakt zu einer anderen Frau" hatte. Nicht die sexuelle Orientierung, sondern der Ausbruch aus einer intakten Ehe sei ihr vorzuwerfen.

Das Urteil sei ungewöhnlich und voller Vorurteile, meint die Anwältin Sigrid Michaelis, deren Kanzlei die Klage damals verlor. Die Mutter sei nicht spontan ausgezogen, sondern habe sich lange in einer kaputten Ehe gequält. Nicht während, sondern erst nach Zerbrechen dieser Ehe habe sie sich einer Frau zugewandt, sagt Cornelie von Gierke, die die Brandenburgerin nun vor dem Bundesgerichtshof vertritt. Ein Anwalt des Ex-Mannes wollte sich nicht äußern.

Arbeitslos und krank

Dass der Fall nun nach Karlsruhe geht, ist dem Oberlandesgericht Brandenburg geschuldet, das das Schwedter Urteil aufhob und "wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache" eine Revision zuließ. Das Verhalten von Frau K. sei nicht von "grober Verantwortungslosigkeit und Pflichtwidrigkeit" gekennzeichnet, urteilte das OLG vor vier Jahren. Vielmehr sei ihre Liebe zu einer Frau "eine objektive naturbedingte Gegebenheit und personale Entwicklung, die nicht steuerbar ist und gleichsam im Selbstlauf und von außen die ehelichen Verhältnisse durcheinander bringt". Eine sexuelle Umorientierung negativ zu sanktionieren, sei verfassungswidrig.

Es ist nicht bekannt, ob Frau K. sich anhören wird, welches Urteil die Bundesrichter über ihr Liebesleben fällen. Bekannt ist, dass ihr die Trennung von der Familie nicht gut bekommen ist. Sie hat keine Arbeit, bezieht Stütze und ist krank geworden, körperlich und seelisch. Das liege an ihrem Leben mit Frau M., sagte ihr Ex-Mann vor Gericht. Vielleicht haben Frau K. ganz andere Dinge zugesetzt, haben die Brandenburger Richter ihm zu denken gegeben. Die Haltung ihres Ex-Mannes zum Beispiel und die Zustände in der Stadt Schwedt.

© SZ vom 16.4.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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