Unser verregneter Sommer:Wetter, du Arsch

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Die Tränen unserer wütenden Herzen mischen sich mit dem Dauerregen über der Stadt. Soll das der Sommer sein? Immerhin, nasser kann es nicht mehr werden, windiger auch nicht. Eine Klageschrift zum deutschen Klima.

Bernd Graff

Und nun zu etwas völlig anderem. Nun zum Wetter. Nein, wie wir in Bayern so schön sagen. Das Wetter ignorieren wir jetzt erst gar nicht mehr. Das derart nicht einmal ignorierte Wetter also ist: unser Sommer. Ein Sommer des windig kalten Missvergnügens. Ein ausgedehnter Herbst, der andauert, seit das Packeis geschmolzen ist. Und andauern wird, bis das Packeis wieder da ist.

Sommerhimmel vor dem Süddeutschen Verlag: Wenn das so weitergeht, werden die Münchner schon bald - ähnlich wie die Inuit für Schnee - zig verschiedene Wörter für Wolken kennen. (Foto: Bernd Graff / süddeutsche.de)

Sicher, zwischendurch wurde der Regen auch mal wärmer und es blieb länger hell, damit man das derart nicht einmal ignorierte Wetter länger betrachten konnte. Aber jetzt reicht's!

Es ist ja nicht so, dass wir keine Wolken mögen. Wolken sind luftig, früher waren sie mal weiß. Jetzt sind sie grau und schwer und groß. Der Wind bläst. Wir werden unseren Enkeln mal erzählen müssen, dass es früher Biergärten gab, in denen man nicht durchnässt sitzen musste und die Maß nicht umgepustet wurde vom eisigen Nordwind. Es ist ja nicht so, dass wir nach München gekommen sind, um hier ein Wetter zu haben wie an der Ostsee im November. Mittlerweile nennt man das Novemberostseewetter "Münchner Sommer".

Ich weine. Fällt aber nicht auf, weil sich die Tränen meines Herzens mischen mit dem Regen über der Stadt.

Die sogenannten gemäßigten Zonen sie sind nicht mehr gemäßigt. Eisschwimmer aus Moskau, so heißt es, trainieren jetzt im Feringasee. Jetzt. Im Juli. Fischkutter wurden am Kleinhesseloher See gesichtet, sie mussten aber abdrehen, wegen der schweren See. Münchner haben - so ähnlich wie Eskimos für Schnee - jetzt schon dreitausend verschiedene Wörter für Regen. Für Wolken erst zweitausend. Aber bis zum Oktoberfest werden es 7000 sein. Wir haben ja genug Anlass zu üben.

Die schönsten Wochen des Jahres sind auch fast schon wieder rum. Es wird wieder früher dunkler. Wenn es eine warme leichte Zeit des Jahres geben sollte, dann jetzt. Verstrichen deine Chance, du blödes Wetter. In ein paar Wochen werden wir noch wärmere Kleidung tragen, dann wird es noch kälter sein, aber nasser kann es nicht werden, windiger auch nicht. Dunkler wohl auch nicht. Darin finden wir gemäßigten Trost. Wetter, du Arsch, wir sind enttäuscht genug.

Was machen die Menschen an ihren sommerlichen Kaminen, die sie gegen die Freiluftgrills eingetauscht haben? Nichts, sie halten aus, Yetis, die wir geworden sind. Wetterzausel, die Alpen sind unsere Himalayas, aber dort scheint wenigstens ab und an die Sonne. Hier ist Regen flüssiger Sonnenschein, sagen die wenigen Sonnenscheinchengemüter, die es noch gibt. Wenigstens kann man die Sonnenschirme gegen die Himmelsfluten einsetzen, auch, wenn sie die U-Bahnen der Stadt arg versperren.

Alles fließt, sagen die Philosophen. Aber so war das nicht gemeint, meine Herren! Großdenker wissen nichts vom Wetter. Gar nichts wisst ihr über unser nicht einmal mehr ignoriertes Wetter. Die Eurokrise ist eine Krise des Wetters, die Fußball-EM auch, das habe ich immer gesagt. Und dass Herr Westerwelle das Feuchte im Namen trägt ... kann es denn Zufall sein? Nein.

Sicher, man kann wegfahren. Ja, sollte man, auch wenn man bei der Heimkehr mit dem Paddelboot zur Haustüre rudern muss, weil alles abgesoffen ist. Das Gras gedeiht prächtig, so satt und grün. Man kann sich nicht dran freuen. Bedenken Sie, es wird jetzt immer weiter regnen. Und kalt sein. Und windig. Und eine Wettervorhersage brauchen wir gleich gar nicht mehr. Das machen wir wie mit der Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin. Sie kommt vom Band, jeden Tag aus der Konserve, denn es gibt nichts mehr vorherzusagen. Es ist, wie es ist und bleibt.

Manchmal wenden wir, wenn der strömende Regen es zulässt, den Blick gen Himmel, reißen beide Fäuste hoch und rufen: Wetter, willst du ewig leben! Es ist Zeit für dich zu gehen. Du bist die idiotischste Erfindung seit es Schokolade gibt.

Und was macht das Wetter daraufhin? Nun? Nichts. Es macht einfach so weiter. Hundsfott, die es ist, das Wetter. Ach, ist auch schon egal.

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