Unicef Deutschland:Hotline für anonyme Hinweise

Der Machtkampf an der Spitze von Unicef Deutschland zwischen der Vorsitzenden Simonis und Geschäftsführer Garlichs eskaliert - es geht um dubiose Provisionen und undurchsichtige Geldflüsse.

Johannes Nitschmann

Der Burgfrieden scheint brüchig geworden zu sein. Erneut trifft sich der Vorstand von Unicef Deutschland an diesem Samstag in Köln zu einer Krisensitzung.

Unicef Deutschland: Heide Simonis, Vorsitzende von Unicef Deutschland.

Heide Simonis, Vorsitzende von Unicef Deutschland.

(Foto: Foto: dpa)

Nachdem die Kölner Unicef-Zentrale im November in den Verdacht der Misswirtschaft und der Verschwendung geraten war, ist die Führung des Kinderhilfswerks heillos zerstritten. Die Unicef-Vorsitzende Heide Simonis und ihr Geschäftsführer Dietrich Garlichs sind sich spinnefeind. Die Basis der 8000 ehrenamtlichen Unicef-Mitarbeiter verlangt immer lauter nach personellen Konsequenzen.

Zwar hatten sich Simonis und Garlichs erst am 14. Januar nach einer turbulenten Vorstandssitzung zusammengerauft und in einem Kommuniqué feierlich "den Willen zur Zusammenarbeit" erklärt. Doch viele bei Unicef trauen dem Frieden nicht. "Die Ruhe an der Basis wieder herzustellen und das Vertrauen der verunsicherten Partner in Wirtschaft und Kommunen zurückzugewinnen", sei "weitgehend" nicht gelungen, beklagen die Vorstandsmitglieder Rolf Seelmann-Eggebert und Carmen Creutz in einem internen Schreiben.

In einem zweiten vertraulichen Brief wird Seelmann-Eggebert noch deutlicher: "Ich habe den Eindruck, wir, die Mitglieder des Vorstands, sind im Begriff, das Vertrauen der Basis zu verlieren, deren hohes Lied wir immer gesungen haben." Von der Unicef-Führung werde "ein Neuanfang" erwartet.

Seit Monaten ist das Kinderhilfswerk, das im Jahr 2006 bundesweit 97,3 Millionen Euro Spenden eingesammelt hat, in den Negativ-Schlagzeilen. Im Zentrum der Vorwürfe steht Unicef-Geschäftsführer Garlichs, gegen den die Staatsanwaltschaft Köln ein Strafermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue eingeleitet hat.

Garlichs wird vorgeworfen, aus Spendengeld des Kinderhilfswerks hochdotierte Beraterverträge an pensionierte Unicef-Mitarbeiter sowie fragwürdige Provisionen für Spendenvermittler und kostspielige Umbauten in der Kölner Unicef-Zentrale finanziert zu haben.

Seit diese Vorwürfe in der Öffentlichkeit sind, tobt ein erbitterter Machtkampf zwischen Simonis und Garlichs. Dieser eskalierte in einer Unicef-Vorstandssitzung am 1. Dezember. Dort kündigte Simonis an, sie werde bei "einem externen Gutachter eine Anlaufstelle" einrichten, an die sich Mitarbeiter der Kölner Unicef-Zentrale vertrauensvoll wenden können.

"Die vielen Hinweise über weitere Unregelmäßigkeiten, über das Fingieren von Zahlen und das Verstecken von Kosten, die mich derzeit immer wieder erreichen, bringen mich dazu", sagte Simonis. Außerdem plane sie die Einrichtung einer "Hotline" für anonyme Hinweise. "Unicef steckt momentan in einer Krise", konstatierte die Vorsitzende, "wir können sie nur überstehen, wenn wir, für die Öffentlichkeit sichtbar, restlos für Transparenz und Aufklärung sorgen."

Daraufhin warf Garlichs der Unicef-Chefin vor, Medienberichte über angeblich undurchsichtige Geschäftsvorgänge bei Unicef maßgeblich mitinitiiert zu haben: Er frage sich, "warum die Vorsitzende diese Dinge jetzt an die Presse trägt."

Damit sei "die Schädigung der Organisation auf die Spitze getrieben" worden. Energisch verwahrte sich Simonis gegen diese Vorwurfe und forderte Garlichs auf, "Andeutungen zu unterlassen", sie habe vertrauliche Unicef-Unterlagen an die Presse lanciert. "Ich äußere Kritik offen", versicherte Simonis. Das Protokoll der hitzigen Vorstandssitzung hat Simonis bis heute nicht unterzeichnet, "da ich mich nach so langer Zeit nicht mehr an den Wortlaut jedes einzelnen Satzes erinnern kann."

Fortsetzung auf der nächsten Seite: "Wenn wir gewusst hätten, dass ein Berater 30.000 Euro Provision bekommt, hätten wir nicht gespendet," sagt der frühere Lidl-Manager Stefan Rohrer.

Hotline für anonyme Hinweise

Unter den Mildtätigen herrscht tiefes Misstrauen. Seit Monaten schon versuchen Simonis und Garlichs, sich gegenseitig aus ihren Ämtern zu drängen. Doch auch ein vom Vorstand in Auftrag gegebenes Gutachten bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zu dubiosen Geschäftsvorgängen bei Unicef sorgte nicht für eine nachhaltige Befriedung.

Unicef Deutschland: Dietrich Garlichs, Geschäftsführer von Unicef Deutschland.

Dietrich Garlichs, Geschäftsführer von Unicef Deutschland.

(Foto: Foto: AP)

Zwar konnten die Prüfer "keine Hinweise auf Bereicherungen und Vorteilsnahmen der handelnden Personen" des Kinderhilfswerks finden; gleichwohl aber stellten sie in vier von fünf untersuchten Sachverhalten "Verstöße gegen bestehende Regeln der Vergabe, Durchführung und Kontrolle von Transaktionen" fest.

Vor allem monierten die Wirtschaftsprüfer, dass der jahrelangen Nebenbeschäftigung eines pensionierten Unicef-Bereichsleiters für ein Monatshonorar in Höhe von 16.000 Euro "keine schriftliche Vereinbarung zugrunde gelegen" habe. Gleiches gelte für Honorarzahlungen an einen von Garlichs beauftragten Spendenakquisiteur, der binnen zwei Jahren insgesamt 191.500 Euro von Unicef kassiert haben soll.

Dieser Spendensammler soll von einer 500.000-Euro-Spende des Lidl-Konzerns eine Provision von 30000 Euro eingestrichen haben, obwohl er an der Vermittlung gar nicht beteiligt war. "Wenn wir gewusst hätten, dass ein Berater 30.000 Euro Provision bekommt, hätten wir nicht gespendet", sagte der frühere Lidl-Manager Stefan Rohrer der Frankfurter Rundschau. "Garlichs hat uns getäuscht, indem er das verheimlicht hat."

Der Unmut an der Basis des Kinderhilfswerks richtet sich derzeit vor allem gegen dessen Geschäftsführer. Die Unicef-Arbeitsgruppe München verlangte den "sofortigen Rücktritt" von Garlichs "im Sinne der Vertrauenserhaltung". Aber auch die Vorsitzende Simonis hat durch manche Kehrtwende bei der Aufklärung des dubiosen Geschäftsgebarens an Führungsautorität eingebüßt. Doch Simonis klebt an dem Unicef-Vorsitz wie einst am Amt der schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin. Sie beharrt darauf: "Ich bin und bleibe Vorsitzende."

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