UN-Menschenrechtsrat:Dunkle Haut macht verdächtig

Bruck: ALTSTADTFEST / Fest der Kulturen

Menschen mit afrikanischen Wurzeln, ob sie deutsche Staatsbürger sind oder nicht, leiden oft unter dem Alltagsrassismus in Deutschland.

(Foto: Johannes Simon)
  • Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UN) wirft der Bundesregierung vor, nicht genug Maßnahmen gegen Alltagsrassismus zu ergreifen.
  • Afrikaner in Deutschland würden regelmäßig Opfer rassistischer Gewalt und Hasskriminalität. Insbesondere das sogenannte Racial Profiling sei bei der Polizei weit verbreitet.
  • Die Delegation des Rats besuchte im Februar insgesamt acht deutsche Städte. An diesem Montag stellt sie ihren Bericht in Genf vor.

Von Bernd Kastner

800 000 Menschen afrikanischer Abstammung leben in Deutschland, vielleicht auch eine Million. Sie werden regelmäßig Opfer rassistischer Diskriminierung und häufig auch von Gewalt. Und der deutsche Staat? Der unternehme zu wenig gegen den Alltagsrassismus, wirft eine Expertengruppe des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen (UN) der Bundesregierung vor. Die Delegation ist nach einem Besuch in Deutschland "tief besorgt" angesichts der Situation von Menschen afrikanischer Abstammung.

Diesen Montag soll ihr Bericht dem UN-Menschenrechtsrat in Genf vorgestellt werden. Die dreiköpfige Delegation unabhängiger Menschenrechtler aus Südafrika, Frankreich und von den Philippinen besuchte im Februar innerhalb einer Woche acht Städte. Die Bundesregierung, die die Delegation eingeladen hatte, erklärt in ihrer Antwort, die Kritik ernst zu nehmen, rückt aber manchen Vorwurf gerade.

16 eng bedruckte Seiten umfasst der Bericht. Auf Seite 12 findet sich, recht versteckt, die Zusammenfassung all der Kritik: Trotz offizieller Bekundungen für Multikulturalismus und Vielfalt sei der deutsche Alltag von Afrikanern geprägt von negativen Stereotypen und strukturellem Rassismus. Sie würden Opfer von rassistischer Gewalt und Hasskriminalität. Aus Angst um ihre Sicherheit mieden sie bestimmte Orte, von Klassenkameraden, Lehrern und Arbeitskollegen würden sie regelmäßig diskriminiert.

Ganz oben in der Kritikliste steht die Feststellung, dass bei der Polizei das sogenannte Racial Profiling weit verbreitet sei: Menschen würden auf der Straße oder in Bahnhöfen nur deshalb angehalten, kontrolliert und durchsucht, weil sie dunkle Haut haben, also ausländisch wirken und sich so vermeintlich verdächtig machen. Vor allem junge Männer erlebten dies immer wieder. Die UN-Experten kritisieren auch, dass es auf Bundesebene keine unabhängige Beschwerdeinstanz gebe, weshalb Alltagsdiskriminierung meist folgenlos bleibe.

Angesichts zahlreicher Übergriffe von Rechtsextremisten auf Afrikaner sieht die UN-Delegation ein Versagen des Staates: Es gelinge ihm nicht, potenzielle Opfer effektiv zu schützen. Das Antidiskriminierungsgesetz genüge nicht, weil der Fokus zu eng sei: Das Gesetz wirke nicht bei strukturellem Rassismus und staatlicher Diskriminierung wie dem Racial Profiling.

Benachteiligt seien Afrikaner auch auf anderer Ebene: Es gebe viel zu wenig afrikanischstämmige Lehrer in Deutschland. Dies wirke sich jetzt negativ aus, da mit den vielen Flüchtlingen auch die Zahl afrikanischer Schüler steige. Unterrepräsentiert seien Schwarze auch bei der Polizei. Generell fänden sich in gesellschaftlichen Führungspositionen kaum Afrikaner, während überdurchschnittlich viele auf den untersten Ebenen der Gesellschaft lebten.

Polizisten setzen offenbar auf das verbotene "Racial Profiling" - und kontrollieren willkürlich

Eine zweifache Diskriminierung erlebten muslimische Afrikaner: Als "traumatisch" beschrieben laut der Delegation viele afrikanische Schüler ihre Erfahrung in Deutschland, weil sie als Schwarze und als Muslime zugleich negativ abgestempelt würden. Zu alldem komme, dass Deutsche afrikanischer Herkunft "strukturell unsichtbar" seien: Ursache sei, dass sie in offiziellen Statistiken nicht separat geführt, sondern unter "Menschen mit Migrationshintergrund" subsumiert würden. Dies sei eine Grundlage dafür, die speziellen Probleme der Afrikaner zu ignorieren.

Letzteres weist die Bundesregierung in ihrer Antwort zurück und verweist auf das "dunkelste Kapitel deutscher Geschichte": Während international über die Erfassung von Menschen nach ethnischen Kriterien diskutiert werde, bleibe die ethnische Herkunft als Lehre aus der NS-Zeit als formale Kategorie für Menschen tabu.

Die Kritik der UN-Delegation werde sehr ernst genommen, betont die Bundesregierung. Die Beschwerdeinstanzen für Menschen, die Diskriminierung erleben, seien in Deutschland jedoch ausreichend. Generell bedauert Berlin, dass Verbesserungen im Kampf gegen Rassismus in dem Bericht zu wenig gewürdigt würden. Polizisten würden trainiert im Umgang mit Minderheiten, Racial Profiling sei ohnehin verboten. Beim Zugang zur Bildung habe man Fortschritte gemacht, weil ausländische Abschlüsse stärker anerkannt würden. Schulen müssten den Behörden nicht melden, wenn sich Schüler illegal in Deutschland aufhalten, um sie nicht vom Unterrichtsbesuch abzuschrecken.

Berlin bedauert, dass die Menschenrechtler Deutschland unter Zeitdruck besucht hätten: Sie hätten einige Dinge missverstanden. So stimme es nicht, dass jugendliche Häftlinge in einem besuchten Gefängnis nur einmal am Tag zu essen bekämen. Es gebe einmal täglich etwas Warmes, ansonsten erhielten sie Lebensmittel, die sie sich selbst zubereiten, wann sie wollen.

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