Umstrittenes Kunstwerk:Horror an der Hauswand

Streit um Fassadenkunstwerk zu Flüchtlingsthema entbrannt

Die einen sehen Hoffnung, die anderen Brutalität und Gewalt: In Berlin-Tegel gibt es Streit um eine Fassadenmalerei.

(Foto: dpa)

Im Berliner Stadtteil Tegel gibt es Ärger wegen der Fassaden-Malerei eines Künstlers, der die Flüchtlingskrise thematisiert hat. Anwohner finden das Bild zu brutal.

Ist das Kunst, was da in der Neheimer Straße im Berliner Stadtteil Tegel auf zwei riesige, nebeneinander stehende Hochhausfassaden gemalt ist?

Ja, sagt die Wohnungsbaugesellschaft Gewobag, der die beiden Häuser gehören. In Auftrag gegeben wurde die 42 Meter hohe Malerei beim spanischen Street-Art-Künstler Gonzalo Borondo, der "international renommiert" ist, wie ein Gewobag-Sprecher sagt und schon zahlreiche Bauten in anderen Städten mit "Murals" - so heißen die großen Fassadenbilder - verziert hat.

Nein, sagen viele Anwohner. Zum Beispiel die Eltern einer gegenüberliegenden Kita. "Es ist sehr, sehr erschreckend. Am schlimmsten ist der aufgespießte Mensch", mit diesen Worten wird die Elternvertreterin im Tagesspiegel zitiert.

Was sieht man auf der Fassade?

Auf dem linken Hochhaus: Ein stehendes Mädchen. Sie trägt ein weißes Kleid. Doch das Kleid ist oben grau verschmutzt und Blut rinnt ihr in schmalen Bahnen an mehreren Stellen herunter. Auch auf dem offensichtlich gefliesten Boden scheint sich eine riesige Blutlache zu befinden. Der Himmel im Hintergrund ist grau.

Das Mädchen blickt auf eine Baumallee, die auf dem rechten Hochhaus abgebildet ist. Die Bäume sind grau, die Blätter sind grau, sie gehen in das Grau des Himmels über. Die Sonne ist ein kleiner Fleck am oberen Bildrand - blutrot. An einen der Stämme, das ist im Hintergrund erkennbar, ist ein nackter Körper gefesselt, der offenbar von Pfeilen durchbohrt ist.

Die Bewohner haben sich an die Kiez-Initiative "I love Tegel" gewandt und wollen jetzt Unterschriften gegen das Kunstwerk sammeln. "Als wir uns das angeschaut haben, konnten wir den Ärger der Anwohner sehr gut verstehen. Die Wirkung ist enorm", sagt Felix Schönebeck, der Sprecher der Initiative. Er weist darauf hin, dass sich im benachbarten Hochhaus in der Vergangenheit mehrere Menschen umgebracht hätten. Ganz in der Nähe sei außerdem eine Flüchtlingsunterkunft geplant. Es sei unpassend, Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind, mit solchen Bildern zu konfrontieren.

Auftraggeber wollen Dialog suchen - aber nicht jetzt

Die Wohnungsbaugesellschaft will den Dialog suchen - aber nicht sofort, sondern erst, wenn der sogenannte "Art Park Tegel" komplett ist. Insgesamt sieben Fassaden hat die Gewobag zur künstlerischen Gestaltung in Auftrag gegeben, fünf sind inzwischen bemalt. "Sobald alle Werke fertiggestellt sind, werden wir das Gesamtprojekt in einer ‎öffentlichen Veranstaltung vorstellen, zu der natürlich auch die Bewohnerinnen und Bewohner ‎eingeladen sind", sagte Sprecher Volker Harting.

Der Künstler des Bildes an der Neheimer Straße habe sich des Flüchtlingsthemas angenommen, das sei offensichtlich. Allerdings gebe es in dem Werk auch Hoffnung. "Denn das Kind sieht einen Menschen, der - obwohl von Pfeilen getroffen - aufrecht und stark ist."

Diese Interpretation kann die Elternsprecherin der Kita nicht teilen. "Es gibt so viel Leid auf der Welt, das muss man uns nicht auch noch so groß präsentieren".

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