Umstrittenes Gesetz in Russland:Moskau verbietet Adoptionen durch US-Bürger

Moskau verabschiedet umstrittenes Adoptionsverbot für US-Amerikaner

Artjom Sawjolow (rechts) war von seiner amerikanischen Adoptivmutter vor zwei Jahren wegen schlechten Verhaltens nach Russland zurückgeschickt worden.

(Foto: dpa)

Moskau will sich für ein US-Einreiseverbot für diverse russische Funktionäre revanchieren - und hat nun ein Gesetz verabschiedet, das Amerikanern verbietet, Kinder aus Russland zu adoptieren. Die Empörung ist groß, denn nirgendwo fanden zuletzt so viele Waisen ein neues Zuhause wie in den USA.

Von Frank Nienhuysen, Moskau

Der schärfste Protest kam vom Menschenrechtsbeauftragten Wladimir Lukin, und der sprach immerhin verbittert von einem "Handel auf dem Rücken der Kinder". In Russland ist ein Sturm der Entrüstung angeschwollen über ein Gesetz, das die Duma in Moskau an diesem Mittwoch beschlossen hat: Es verbietet von 1. Januar an die Adoption russischer Waisenkinder durch Amerikaner.

Das Verbot gehört zur russischen Antwort auf das amerikanische Magnitskij-Gesetz, das in Washington gerade verabschiedet wurde und Moskau zutiefst verärgert hat. Es sieht Einreiseverbote für russische Funktionäre vor, die mitverantwortlich sein sollen für den Tod des Anwalts Sergej Magnitskij, der 2009 wegen verweigerter medizinischer Hilfe in Untersuchungshaft starb.

Die russische Regierung will nun ihrerseits eine Reihe von Amerikanern auf eine Schwarze Liste setzen. Zudem wurden nun plötzlich auch Adoptionen in die USA untersagt, wobei sich die Autoren des Gesetzesentwurfs an den Fall Dima Jakowlew erinnerten. Der russische Junge war eineinhalb Jahre alt, als er im Sommer 2008 von seinem US-Pflegevater stundenlang in einem überhitzten Auto zurückgelassen wurde und starb. Empört war Russland auch über den Fall des kleinen Artjom Sawjolow, der angeblich derart garstig gegenüber seiner amerikanischen Adoptivmutter war, dass diese ihn einfach allein in ein Flugzeug von Washington nach Russland setzte.

Und so versuchten nun einige Abgeordnete in Moskau das vage Gefühl zu nutzen, für russische Kinder könnte das Leben in amerikanischen Familien gefährlich sein. Pawel Astachow, Beauftragter für Kinderrechte, sprach jedenfalls von "fehlenden Sicherheitsgarantien in den USA". Doch die Welle des Widerstands wächst, und sie hat inzwischen auch die Regierung erreicht. "Logisch wäre das Motto ,Auge um Auge'", sagte Bildungsminister Dmitrij Liwanow mit Blick auf Russlands Antwort auf das Magnitskij-Gesetz. In diesem Fall aber "könnten unsere Kinder leiden, die in Russland keine Adoptiveltern gefunden haben". Der Adoptiv-Anwalt Anton Scharow sagte dem Fernsehsender Doschd sogar, dieser Gesetzentwurf sei "peinlich für mich und für jeden Russen".

Die Zahl der Waisenkinder in Russland ist in den vergangenen Jahren zwar zurückgegangen, doch noch immer finden viele Kinder im eigenen Land keine Adoptiv-Eltern. Und kein anderes Land hat so viele Kinder aufgenommen wie die USA - etwa 60.000 in den letzten 20 Jahren. In dieser Zeit sind nach Moskauer Regierungsangaben 19 Kinder durch Amerikaner gestorben, aber doch hätten weitaus mehr in Russland gelitten.

"Zehntausende leben glücklich und erfolgreich in den USA", sagte Olga Kostina von der russischen Gesellschaftskammer. Vor allem behinderte Kinder haben im Ausland deutlich mehr Chancen als in Russland, wo das Thema jahrzehntelang tabu war. Und die USA nehmen besonders viele behinderte Kinder auf. Ein Mädchen von ihnen habe sogar bei den Paralympics gewonnen, sagte Kostina, weshalb für sie das "Dima-Jakowlew-Gesetz" ein "Wettbewerb in Dummheit" sei.

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