Umstrittenes Experiment:Digitale Performance stellt Schwule bloß

Kunstaktion wanna play ?

Stell dir vor, Dries Verhoeven nutzt eine Dating-App - und jeder liest mit!

(Foto: Britta Pedersen/dpa)
  • Der niederländische Künstler Dries Verhoeven chatted in Berlin über eine Dating-App mit Homosexuellen aus der Umgebung.
  • Die Unterhaltungen aus dem Internet werden öffentlich sichtbar an eine Wand am Heinrichplatz projiziert.
  • Die Chatfotos der Männer wurden bislang nicht ausreichend verfremdet und haben eine Debatte über Datenschutz ausgelöst.

Öffentliche Chats im Glascontainer

"Wanna play?" - mit dieser Frage beginnen laut dem homosexuellen niederländischen Künstlers Dries Verhoeven die meisten Chatgespräche auf der beliebten Schwulen-App Grindr. Eine Frage, mit der geklärt wird, ob man sich zum Sex verabreden möchte. Dann werden explizite Bilder ausgetauscht. Wenn die Fotos gefallen, folgt eine Verabredung zu unverbindlichen Sex.

Mit seinem gleichnamigen Performance-Projekt möchte Verhoeven auf die Veränderungen von zwischenmenschlichen Beziehungen in Zeiten von Sex-Dating-Apps aufmerksam machen. Deshalb sitzt er seit Donnerstag in einem Glaskasten auf dem Heinrichsplatz in Berlin Kreuzberg und chattet öffentlich mit Schwulen aus seiner Umgebung.

Ein Chatpartner wurde erkannt

Passanten können die Chatgespräche auf einer LED-Wand hinter dem Künstler mitverfolgen. So sollen sie einen Einblick in die zwischenmenschlichen Probleme bekommen, die durch die unverbindliche Smartphone-Kommunikation entstehen.

An der Wand waren bis vor kurzem jedoch nicht nur die Unterhaltungen zwischen Verhoeven und den Nutzern der Dating-App zu sehen, sondern auch Bilder der Chatteilnehmer. Die Fotos wurden zwar verfremdet, aber anscheinend nicht ausreichend genug. Am Donnerstag hatte ein Besucher bei der Aktion das Bild eines Bekannten erkannt, der - nichts ahnend von dem Projekt - im Internet mit Künstler Verhoeven gechattet hatte. Der Erkannte habe sich gedemütigt, hintergangen und "digital vergewaltigt" gefühlt, es sei sogar zum Handgemenge mit dem Künstler gekommen, schrieb die Berliner Zeitung.

Das Theater Hebbel am Ufer bittet um Entschuldigung

"Diesen Vorgang bedauern wir sehr und bitten um Entschuldigung", heißt es auf der Internetseite des Theater Hebbel am Ufer, das an der Aktion beteiligt ist. Seit Freitag würden alle Darstellungen von Fotos nur noch bis hin zur vollkommenen Unkenntlichkeit verschwommen dargestellt, heißt es auf der Seite.

Außerdem kläre der Künstler seine Chatpartner nun noch deutlicher darüber auf, dass sie gerade Teil eines im öffentlichen Raum angesiedelten Kunstwerks sind und erkundige sich, ob das für sie in Ordnung sei.

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