Umstrittene Sterbehilfe:Ehemaliger Hamburger Senator Kusch wegen Totschlags angeklagt

Lesezeit: 2 min

Als Vorsitzender eines Sterbehilfe-Vereins steht er schon länger in der Kritik. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft den früheren Hamburger Justizminister Roger Kusch wegen Totschlags in zwei Fällen angeklagt.

Im Zusammenhang mit seinem Sterbehilfeverein hat die Hamburger Staatsanwaltschaft Anklage gegen den ehemaligen Justizsenator Roger Kusch erhoben. Er soll, gemeinsam mit einem Nervenarzt, für den Tod von zwei Frauen verantwortlich sein. Der Vorwurf lautet auf gemeinschaftlichen Totschlag in mittelbarer Täterschaft, wie die Staatsanwaltschaft Hamburg mitteilte. Über die Zulassung der Anklage muss nun das Hamburger Landgericht entscheiden.

Kusch ist Vorsitzender des Vereins Sterbehilfe-Deutschland (StHD) und hat bereits in mehreren Fällen Menschen in den Tod begleitet - zum Teil unter sehr umstrittenen Umständen. Der ebenfalls angeklagte Facharzt für Nervenheilkunde sei regelmäßig für den Verein als psychiatrischer Gutachter tätig gewesen, so die Staatsanwaltschaft.

Geistig und körperlich rege sowie sozial gut eingebunden

Die Frauen, die im Alter von 81 und 85 Jahren im Juni 2012 dem Verein beigetreten waren, teilten Kusch mit, dass sie eine Selbsttötung erwögen. Er soll sie an den Nervenarzt verwiesen haben, der für 2000 Euro ein Gutachten über die Freiverantwortlichkeit der Sterbeentscheidung und "Wohlerwogenheit" des Wunsches beider Seniorinnen erstellt haben soll. Der Arzt stellte dabei laut Anklage fest, dass die Frauen geistig und körperlich rege sowie sozial gut eingebunden waren und der Grund für ihren Sterbewunsch allein ihre Angst vor dem Altern und dessen Folgen war.

Laut Staatsanwaltschaft sieht die Vereinssatzung der "Sterbehilfe Deutschland" eine Unterstützung zur Selbsttötung jedoch nur bei hoffnungsloser Prognose, unerträglichen Beschwerden oder unzumutbarer Behinderung vor. Dennoch soll der Mediziner fälschlicherweise in seinem Gutachten den Sterbeentschluss der Frauen als "wohlerwogen" beschrieben haben.

"Entgegen seinem Auftrag als Arzt und Gutachter und entgegen den Grundsätzen des Vereins klärte er sie nicht auf, dass ihre Gründe für den Selbsttötungswunsch von der Vereinssatzung nicht erfasst waren und zeigte ihnen weder Alternativen noch Beratungsmöglichkeiten auf", teilten die Strafverfolger mit. Die Frauen hätten auf die ärztliche Bewertung des Mediziners vertraut und angenommen, ihre Selbsttötung sei ohne Alternative.

Ein Präzedenzfall in der Sterbehilfe

Beide starben am 10. November 2012 durch eine Überdosis des verschreibungspflichtigen Malaria-Medikaments Chloroquin. Kusch soll das Medikament durch seine Organisation beschafft haben. Der ebenfalls beschuldigte Psychiater war den Angaben zufolge zugegen, als die beiden Frauen das Mittel einnahmen.

Die Anklagebehörde wirft den Beschuldigten vor, sich bereits Anfang 2012 entschlossen zu haben, "einen Präzedenzfall in der Sterbehilfe, nämlich in Bezug auf eine Begleitung bis in den Tod, zu schaffen". Die beiden Frauen hätten Kusch als Vorsitzenden des Vereins und aufgrund seiner früheren Stellung als Hamburger Justizsenator vertraut, heißt es in der Anklageschrift. Die angeklagten Ärzte hätte die Tatherrschaft über die Selbsttötungen der beiden Frauen gehabt, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: