Umstrittene Schweizer Organisation:Dignitas plant Sterbehilfe in Deutschland

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Die Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas ist hierzulande umstritten - trotzdem will sie ihre Tätigkeit jetzt nach Deutschland ausweiten. Jetzt hat die Organisation einen potentiellen Sterbehelfer gefunden, der nach Angaben von Dignitas das Risiko der Strafverfolgung nicht scheut.

Gerd Zitzelsberger

Die Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas will ihre Tätigkeit nach Deutschland ausweiten. "Wir haben in Deutschland jemanden gefunden, der eine Sterbebegleitung machen und das Risiko der Strafverfolgung auf sich nehmen will", sagte Dignitas-Gründer Ludwig Minelli am Wochenende der Winterthurer Zeitung Landbote.

(Foto: Foto: dpa)

Dignitas hat zwar eine Tochterorganisation namens Dignitate in Hannover. Aber bisher reisen Deutsche, die sich mit Hilfe von Dignitas selbst töten wollen, dazu in die Schweiz. Anders als in Deutschland werden Sterbehelfer dort nicht wegen unterlassener Hilfeleistung belangt; vielmehr ist die Beihilfe zum Suizid in der Eidgenossenschaft straffrei, wenn sie nicht aus selbstsüchtigen Motiven erfolgt.

Es sei "ungehörig, dass Deutschland seine Schwerkranken dazu zwingt, ihr Bett zu verlassen, statt dass wir zu ihnen reisen können." Es handele sich "beim Suizid um ein Menschenrecht", sagte Minelli. Deshalb wolle Dignitas auch in Deutschland eine Organisation mit Sterbehelfern aufbauen.

Vor Wochen hatten Minelli und das Dignitate-Vorstandsmitglied Uwe Arnold wissen lassen, dass sie einen Präzedenzfall in Deutschland planen. Neu ist, dass die Organisation einen potentiellen Sterbehelfer dafür gefunden hat. "Wenn diese Person wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt wird, würden wir das durchziehen bis an den Bundesgerichtshof", sagte Minelli.

Minelli kündigt finanzielle Offenheit an

Offen ließ er, wie Dignitas in Deutschland auf legalem Wege das Barbiturat NaP beschaffen will, das in der Schweiz bei den assistierten Suiziden benützt wird. Laut den Sterbehilfeorganisationen führt es zu einem schmerzlosen und sicheren Tod. In der Schweiz steht es für die Tiermedizin zur Verfügung. Aber auch Humanmediziner bleiben straffrei, wenn sie für hoffnungslos und sehr schwer leidende Menschen ein NaP-Rezept ausstellen.

Minelli kündigte am Wochenende gleichzeitig finanzielle Offenheit an: "Wir haben beschlossen, dass wir unsere Buchhaltung von einer anerkannten Treuhandgesellschaft nachträglich zusammenstellen lassen, damit wir sie transparent machen können." Bislang, so hatte Minelli vor einem Monat der SZ gestanden, sei viel Geld auf sogenannten Sammelkonten gebucht worden.

Indirekt räumte Minelli auch ein, dass Dignitas bei einer vorübergehenden Einstellung der Sterbebegleitungen in finanzielle Schwierigkeiten käme. Die Organisation habe 15 Teilzeitmitarbeiter und müsse monatlich 30 500 Euro an Löhnen und Honoraren bezahlen. Außerdem seien gut 30 000 Euro an Anwaltskosten aufgelaufen. Dafür habe Dignitas ein Darlehen in Anspruch genommen.

Heftige Diskussionen über "Sterbetourismus"

Er sei aber entschlossen, notfalls private Reserven einzusetzen. Minelli gehören laut seinen früheren Angaben zur SZ zwei Häuser im Raum Zürich, von denen eines noch nicht ganz abbezahlt ist.

2006 hat Dignitas bei 195 Suiziden assistiert, 111 der Menschen kamen aus Deutschland. Insgesamt haben sich 2006 in Deutschland 9765 Menschen das Leben genommen. Der "Sterbetourismus" aus Deutschland, wie es die Schweizer nennen, führt in der Eidgenossenschaft zu heftigen Diskussionen. Eine Woge der Empörung - in Deutschland noch stärker als in der Schweiz - gab es, als jüngst bekannt wurde, dass Dignitas in zwei Fällen Sterbehilfe auf einem Waldparkplatz nahe Zürich geleistet hat.

Unterdessen ist in der Schweiz noch eine zweite Sterbehilfeorganisation namens Exit in die Diskussion geraten: Unwidersprochen bleibt bisher ein Fernsehbericht, wonach Exit und ihre Sterbehelfer "Reserven" des Barbiturats NaP angelegt haben. Die Züricher Staatsanwaltschaft fordert eine Stellungnahme.

© SZ vom 19.11.2007/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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