Überschwemmung in Indien:Monsun hält Tausende gefangen

Rescue operation after Floods in India

Rettungskräfte versuchen sich einen Weg zu den zurückgebliebenen Pilgern in der Region Kedarnath zu schaffen.

(Foto: dpa)

Nach dem Monsun in Indien sitzen etwa 10.000 Menschen in den Bergen fest. Wegen des starken Regens kommen die Rettungskräfte nicht zu ihnen durch. Die Zahl der Toten steigt, hinduistische Geistliche bereiten schon eine Massenverbrennung der Leichen vor.

Von Arne Perras, Singapur

Jeden Tag hören die Inder nun neue unfassbare Geschichten über die tosende Flut da oben in den Bergen - und über Menschen, die dem Wasser mit letzter Kraft trotzten. Zum Beispiel Vijender Singh Negi. Den 36-Jährigen hatte das Wasser in der heiligen Hindu-Stätte Kedarnath überrascht, wie sein Schwager der Zeitung Times of India berichtete.

Negi war vom Dach eines dreistöckigen Hotels gesprungen, um sich zu retten, als das Gebäude vom Wasser fortgerissen wurde. Irgendwie schaffte es der Mann bis zum Tempelgebäude hinüber und dort klammerte er sich oben an der Glocke fest. Um ihn herum trieben Leichen vorbei, er fand selten Halt mit den Füßen, aber er ließ die Glocke nicht mehr los. Neun Stunden lang. Negi hielt durch dort oben, bis das Wasser schließlich gewichen war und er wieder herunterklettern konnte. Zwei Tage später holte ihn ein Militärhubschrauber aus dem zerstörten Kedarnath heraus.

Seither aber will der Himmel nicht mehr aufreißen, erneut werden heftige Regenfälle aus den Gebieten des südlichen Himalayas gemeldet. "Kein einziger Helikopter konnte bislang aufsteigen", klagte ein Offizier der indischen Luftwaffe am Montagmorgen. In den Bergen saßen da noch immer etwa 10.000 Menschen fest, die zwar die Fluten überlebt haben, aber jetzt keinen sicheren Weg mehr nach unten finden. Sie sind traumatisiert und erschöpft, sie wollen nach Hause. Aber das Wetter erschwert die Rettungseinsätze des Militärs.

Ende nicht in Sicht

Die Zahl der Toten steigt weiter, ein Minister des betroffenen Bundesstaates Uttarakhand bestätigte, dass schon etwa 1000 Menschen umgekommen seien. Etwa 80.000 Menschen haben die Einsatzkräfte in Sicherheit bringen können, seitdem die heftigsten Monsunregen seit 80 Jahren den Norden Indiens heimsuchten. Manche schwebten mit improvisierten Seilbahnen über tosende Gebirgsbäche in Sicherheit, aber keiner vermag abzuschätzen, wie lange es noch dauern wird, bis alle wieder unten sind.

Unterdessen bereiteten hinduistische Geistliche eine Massenverbrennung der Leichen nahe der hinduistischen Tempelstätte Kedarnath vor, die noch am Montag beginnen sollte. Während in den Schluchten noch Tausende im Regen froren und auf die Hubschrauber hofften, campierten Hunderte Angehörige der Vermissten unten in Dehradun, der Hauptstadt von Uttarakhand. Sie sind verzweifelt, wissen nicht, ob ihre Verwandten noch eine Chance haben. Manche sind wütend, weil sie sich von den Behörden unzureichend informiert fühlen, andere klagen, die Rettungsaktionen seien schlecht organisiert. Viele Touristen haben offenbar nur überlebt, weil Einheimische ihre Vorräte teilten und erschöpfte Menschen in halbwegs sicheres Terrain lotsten.

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