Übergriffe in Köln:"Ausgelassene Stimmung - Feiern weitgehend friedlich"

Dom und Hauptbahnhof in Köln

In Köln fanden in der Silversternacht Dutzende Angriffe auf Frauen statt.

(Foto: dpa)

Um 8.57 Uhr am Neujahrsmorgen gab die Polizei Köln noch eine zufriedene Pressemitteilung heraus. Jetzt muss der Polizeipräsident korrigieren.

Mittlerweile ist klar: In der Silvesternacht gab es im Bereich um den Hauptbahnhof in Köln Dutzende Übergriffe auf Frauen. 90 Anzeigen sind bei der Polizei Köln inzwischen eingegangen. Doch offenbar erfuhren die meisten Beamten erst Tage später von dem wirklichen Ausmaß der Vorfälle. Denn die Polizei selbst gab um 8.57 Uhr am Neujahrsmorgen die erste Pressemitteilung heraus - und die liest sich noch ziemlich harmlos. Die Meldung ist überschrieben mit "Ausgelassene Stimmung - Feiern weitgehend friedlich" und es scheint, als sei die Polizei zufrieden mit dem Einsatz in der Silvesternacht.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers jetzt die erste polizeiliche Einschätzung der Lage am Neujahrsmorgen kritisiert: "Diese erste Auskunft war falsch."

Der Originaltext:

Ausgelassene Stimmung - Feiern weitgehend friedlich

Köln - Die Polizei Köln zieht Bilanz

01.01.2016 - 8:57 Uhr

Wie im Vorjahr verliefen die meisten Silvesterfeierlichkeiten auf den Rheinbrücken, in der Kölner Innenstadt und in Leverkusen friedlich. Die Polizisten schritten hauptsächlich bei Körperverletzungsdelikten und Ruhestörungen ein.

Von Donnerstagabend (31. Dezember) 18 Uhr bis heute Morgen (1. Januar) um 6 Uhr sprachen die Einsatzkräfte im Stadtgebiet Köln 94, in Leverkusen zwei Platzverweise aus. Bislang gingen bei der Polizei 20 Anzeigen zu Sachbeschädigungen ein (Vorjahr: 25). Im Vergleich zum letzten Jahr stieg die Zahl der Körperverletzungsdelikte von 78 in Köln leicht an. 80 Mal wurde die Polizei tätig. In Leverkusen verzeichneten die Beamten 4 Straftaten dieser Art (Vorjahr: 5). Die Zahl der gemeldeten Ruhestörungen stieg im Vergleich zum Vorjahr (76, davon 8 in Leverkusen) an. Bis 6 Uhr schritten die Polizisten in 80 Fällen, davon 7 in Leverkusen gegen zu lautes Feiern ein.

Kurz vor Mitternacht musste der Bahnhofsvorplatz im Bereich des Treppenaufgangs zum Dom durch Uniformierte geräumt werden. Um eine Massenpanik durch Zünden von pyrotechnischer Munition bei den circa 1000 Feiernden zu verhindern, begannen die Beamten kurzfristig die Platzfläche zu räumen. Trotz der ungeplanten Feierpause gestaltete sich die Einsatzlage entspannt - auch weil die Polizei sich an neuralgischen Orten gut aufgestellt und präsent zeigte. (st)

In den sozialen Netzwerken hingegen tauchten am Neujahrsmorgen bereits vereinzelt Hinweise auf die Übergriffe auf. Mittlerweile hat sich in den sozialen Netzwerken eine Diskussion darüber entsponnen, wann die Polizei was wusste und ob die Beamten Informationen gezielt zurückhielten.

Denn erst am 2.1 um 16.38 Uhr gibt die Polizei erneut eine Pressemitteilung zu den Geschehnissen in der Silversternacht heraus. Diese liest sich völlig anders - hier der Originaltext:

Übergriffe am Bahnhofsvorplatz -Ermittlungsgruppe gegründet

02.01.2016 - 16:58

Köln - Im Laufe des Neujahrtages (1. Januar) erhielt die Polizei Köln Kenntnis über unterschiedliche Vorfälle bei denen Frauen Opfer von Übergriffen geworden sind. In der Silvesternacht nutzten Tätergruppen das Getümmel rund um den Dom und begangen Straftaten unterschiedlicher Deliktsbereiche. Die Polizei Köln hat eine Ermittlungsgruppe zur Aufklärung der Fälle eingerichtet.

Bei der Polizei Köln und der Bundespolizei erstatteten bis zum jetzigen Zeitpunkt knapp 30 Betroffene Anzeige und schilderten in diesen Fällen die gleiche Vorgehensweise der Täter. Die Geschädigten befanden sich während der Neujahrsfeier rund um den Dom und auf dem Bahnhofsvorplatz, als mehrere Männer sie umzingelten. Die Größe der Tätergruppen variierte von zwei bis drei, nach Zeugenaussagen nordafrikanisch Aussehenden bis zu 20 Personen. Die Verdächtigen versuchten durch gezieltes Anfassen der Frauen von der eigentlichen Tat abzulenken - dem Diebstahl von Wertgegenständen. Insbesondere Geldbörsen und Mobiltelefone wurden entwendet. In einigen Fällen gingen die Männer jedoch weiter und berührten die meist von auswärts kommenden Frauen unsittlich.

Zur Klärung der Taten und Tatzusammenhänge hat die Polizei Köln eine Ermittlungsgruppe gegründet. Zur Arbeit der Ermittler gehört unter anderem die Auswertung umfangreicher Videoaufnahmen.

Weitere Geschädigte, die sich in der Silvesternacht am Bahnhofsvorplatz und um den Dom in der Zeit zwischen Mitternacht und vier Uhr aufgehalten haben und noch keine Anzeige erstattet haben, werden gebeten sich mit der Polizei in Verbindung zu setzen. Hinweise nimmt das Kriminalkommissariat 12 unter der Rufnummer 0221/ 229-0 oder per E-Mail an poststelle.koeln@polizei.nrw.de entgegen. (st)

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