Twitter:Langnachrichtendienst

Mann wird von einer Online Nachricht eines großen Vogels nach hinten gebogen PUBLICATIONxINxGERxSUIx

Bitte mehr zwitschern: Twitter bemüht sich um bessere Zahlen.

(Foto: imago/Ikon Images)

Tweets könnten bald doppelt so lang sein: Der Kurznachrichtendienst Twitter experimentiert mit 280 statt 140 Zeichen - zum Wohle der Nutzer. Angeblich.

Von Laura Hertreiter

Goodbye, Alleinstellungsmerkmal: Der US-Kurznachrichtendienst Twitter verdoppelt für eine Testgruppe sein #Limit von 140 Zeichen pro #Tweet.

Mit diesen exakt 140 Zeichen ist die Nachricht, die das Unternehmen am Dienstag in San Francisco verkündet hat, eigentlich erzählt. Kürze und Prägnanz können in der zwischenmenschlichen Kommunikation ja nicht hoch genug geschätzt werden. Jene Eigenschaften also, für die Twitter-Nutzer ihr Netzwerk schätzen.

Das Zeichenlimit der Plattform ist ein Überbleibsel aus dem Gründungsjahr 2006: Damals war der Dienst zunächst auf Basis von SMS aufgebaut, jener an Zeichen begrenzten, fast vergessenen Nachrichtenform aus prädigitalen Zeiten. Für Tweets war die Begrenzung technisch schnell nicht mehr nötig - blieb aber Markenzeichen. Und brachte eine Reihe verdichteter Textformen hervor: Kürzestprosa, 140-Zeichen-Lyrik, Aphorismen, Gagaismen, Abkürzungen, Peinlichparolen, Neologismen, Hashtags. Und auch wenn Nutzer die Beschränkung der Zeichenzahl bisweilen umgehen, indem sie eine Nachricht auf mehrere Tweets verteilen oder längere Texte als Foto veröffentlichen: Eine Erweiterung der Zeichenzahl gehörte nie zu ihren Kernforderungen.

Dennoch begründet das Unternehmen die Reform auf Probe nun mit dem Wohl der Nutzer. Man wolle so eine "größere Quelle der Frustration" beseitigen. Neun Prozent der Tweets auf Englisch erreichten die Maximallänge, viele Nutzer seien verärgert. Die Frage ist, ob der Ärger nicht genauso kurz ist wie die Nachricht, wie er sich bemisst - und wie groß der Frust dann nach 280 Zeichen ist. Überhaupt: Ob es wirklich um den Frust der Nutzer geht? Denn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens ist schlecht. Obwohl die Donald Trumps, Thomas Gottschalks und Claus Klebers dieser Welt Twitter intensiv nutzen, hat die Plattform ein Wachstums- und Umsatzproblem.

Im ersten Halbjahr 2017 hatte die Firma nach eigenen Angaben 328 Millionen Nutzer, allerdings besuchten weniger als die Hälfte von ihnen die Plattform täglich, und die relativ neu eingeführten Live-Videos gelten als Flop. Vor zwei Jahren wurde bereits die 140-Zeichen-Grenze bei den privaten Direktnachrichten aufgehoben. Anschließend wurden diese laut Twitter häufiger genutzt. Ob das Unternehmen als Langnachrichtendienst erfolgreicher sein kann, soll nun die Testgruppe zeigen. Erst dann wolle man die Entscheidung treffen, die 280 Zeichen "für alle verfügbar zu machen". Ein gelungenes Stück Öffentlichkeitsarbeit ist die angekündigte Revolution allemal. Denn Twitter ohne 140-Zeichen-Limit, das ist wie Instagram ohne Quadrat-Pflicht (seit 2015), wie ein iPhone ohne Home-Button (seit vergangener Woche) oder Robbie Williams ohne Take That (lange her).

Diese 2548 weiteren Zeichen nur zur #Einordnung. Die Kunst liegt schließlich darin, sich auf eine vorgegebene Zeichenzahl zu beschrä

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