Türkischer Karnevalsverein:Jeder Jeck ist anders

Wie ernst der erste türkische Karnevalsverein Deutschlands seine Sache nimmt, ist offen. Immerhin hat er ein ernsthaftes Anliegen: sittlicheres Schunkeln.

Dirk Graalmann

In Köln ist man stolz auf seine liberale Gesinnung, die Toleranz und den vermeintlichen Multikulti-Charme. Das Motto "Jeder Jeck ist anders" gehört zu den Grundmythen des kölschen Laissez-faire. Beim Karneval aber hört der Spaß auf. Denn der Fasteleer ist eine zutiefst ernste Angelegenheit, ein Wirtschaftsfaktor mit Millionenumsätzen zudem.

Türkischer Karnevalsverein: Studentengag oder ernst gemeint? Die Gründungsmitglieder des ersten türkischen Karnevalsverein, Melek Cezmi (links) und Davut Yilmaz, mit einem tiefergelegten BMW-Cabrio mit aufmontiertem Schnauzer.

Studentengag oder ernst gemeint? Die Gründungsmitglieder des ersten türkischen Karnevalsverein, Melek Cezmi (links) und Davut Yilmaz, mit einem tiefergelegten BMW-Cabrio mit aufmontiertem Schnauzer.

(Foto: Foto: dpa)

So wird eine kleine Vereinsgründung auch zum viel beachteten Politikum. In der Domstadt soll angeblich alsbald der 1. Türkische Karnevalsverein Deutschlands e.V. (TKVD) gegründet werden. Und die ersten Reaktionen waren, vorsichtig formuliert, gespalten. Man begrüße die Gründung, sagte Sigrid Krebs, Sprecherin des Festkomitees Kölner Karneval. Dies sei "ein weiterer Schritt zur Integration".

Die Kritiker dagegen sahen schon den Untergang des Abendlandes dräuen; zumindest aber ein "Alkoholverbot bis Ende Februar" sowie ein "Burka-Gebot für Karnevalistinnen", wie die rechtspopulistische Gruppierung Pro Köln, die im Rat vertreten ist, höhnte.

Der Karneval als Projektionsfläche in der Integrationsdebatte - ein spannender Versuch. Wenn er denn ernst gemeint wäre. Der absurde Auftritt der Neukarnevalisten nährte am Donnerstag einen anderen Verdacht: die Vereinsgründung als Studenten-Gag oder als Inszenierung eines Satiremagazins wie Titanic.

Zumindest gab sich der "designierte TKVD-Vorsitzende" Davut Yilmaz erdenkliche Mühe, die Veranstaltung ins Lächerliche zu ziehen. Er posierte mit Clownsmaske, rief den Fotografen das in Köln bekanntlich verpönte "Helau" entgegen und präsentierte neben den Plänen für eigene Sitzungen mit Alkoholverbot sogleich ihren Vorschlag für einen Mottowagen beim Rosenmontagszug: ein klischeehaft so türkentypisches, tiefergelegtes BMW-Cabrio mit einem überdimensionierten Schnäuzer auf der Motorhaube.

Und statt eines eigenen türkischen Dreigestirns forderte Yilmaz angesichts der 80000 Landsleute in der Stadt süffisant-provokant eine "Türkenquote" für das Trifolium. Oder die ständige Erweiterung des Dreigestirns Prinz, Bauer und Jungfrau um einen Türken. Er fand das sehr lustig. Doch zugestehen wollte Yilmaz die offenkundige Satire nicht.

Auf die unvermeidliche Frage, ob die Idee wirklich ernst gemeint sei oder der politisch motivierte Versuch, die Integrationsdebatte zu befeuern und der Gesellschaft nebenbei den Spiegel vorzuhalten, bellte Davut Yilmaz aggressiv: "Wir meinen es ernst." Noch am frühen Abend behauptete die TKVD-Sprecherin Katharina Starke auf mehrmalige Nachfrage standhaft: "Nein, das ist kein Ulk." Beim Thema Karneval hört in Köln der Spaß nun mal auf. So oder so.

Das Anliegen der Gruppe gäbe ja durchaus Raum für eine ernsthafte Auseinandersetzung. Ihnen missfalle "die Art und Weise, wie der Karneval zelebriert wird", teilte der selbsternannte TKVD mit. Die Art und Weise, das ist insbesondere das chronische Besäufnis vieler Karnevalisten, verbunden mit der Neigung zum pseudo-erotischen Nahkampf. Auswüchse, die viele inzwischen für den Kern des Karnevals halten.

Für viele gläubige Muslime sei "die Freizügigkeit der Geschlechter und der übermäßige Alkoholkonsum" nicht hinnehmbar. Sie selbst feiere jedes Jahr Karneval, sagte die 27-jährige BWL-Studentin Melek Cezmi, aber ihr reiche "ein Glas Wein am Abend" und außerdem "möchte ich mir mal sicher sein, dass man mir nicht einfach ungefragt an den Po grapscht".

Ein berechtigter Einwand. Und dabei spielt es eigentlich gar keine Rolle, ob die Aktion nun im doppelten Wortsinne "getürkt" war oder nicht.

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