Türkischer Fernsehprediger verhaftet:Meister Ahmets Abgründe

Barbie-Puppen verdammte er, Masturbation erlaubte er nur in Notfällen: Der TV-Prediger Cübbeli Ahmet Hodscha galt vielen türkischen Muslimen als moralische Instanz, insbesondere in Fragen der Sexualität. Doch nun wurde "Meister Ahmet" festgenommen - unter anderem wegen Zuhälterei.

Kai Strittmatter, Istanbul

Eine Marke, das war er, und das wollte er auch sein. Die über die Stirn nach hinten gerutschte Gebetskappe, die zusammen gekniffenen Äuglein, der unwirkliche Bartteppich unter dem Kinn. Kaum ein Türke, dem dieses Gesicht nicht vertraut wäre. Cübbeli Ahmet Hodscha (Hoca), "Meister Ahmet mit der Robe", ließ kaum eine Kamera aus, um seine frommen Sinnsprüche unters Volk zu bringen, so gelangte er zu einiger Berühmtheit: der Fernsehprediger der konservativen Sittenstrengen unter den türkischen Muslimen.

Eine religiöse Autorität für die einen, eine Witzfigur für die anderen. Aber auch die, die sich über ihn lustig machten, hielten ihn großteils für einen so frommen wie verschrobenen, unterm Strich aber harmlosen Kauz.

Die Loyalität der Jünger wird auf die Probe gestellt

Die Skandälchen der Vergangenheit, jene Fotos aus dem Sommer 2006 etwa, die den sonst so moralinsauren Meister Ahmet mal ganz ohne Robe halbnackt am schönen Mittelmeerstrand zeigten (mit streng verhüllter weiblicher Begleitung auf der Sonnenliege nebenan), einen Jetski reitend gar, erhöhten letztlich die Popularität des Hodschas. In diesem Jahr aber wird die Loyalität seiner Jünger auf die Probe gestellt.

Es begann im Sommer, als im Internet Videos auftauchten, auf denen ein dem Meister verteufelt ähnelnder Mann beim außerehelichen Sex zu sehen war. Ahmet Hodscha stritt alles ab ("Montagen", "War ein anderer"). Das Drama fand seinen vorläufigen Höhepunkt in der Verhaftung des Hodschas Anfangs dieser Woche.

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft: Kontakte zum organisierten Verbrechen, Erpressung - und Zuhälterei. Da hielten nicht wenige den Atem an. Der Hodscha, sagt die Polizei, habe sich allein in den letzten fünf Monaten sieben Frauen aus Marokko, Kasachstan und Usbekistan ins Bett legen lassen. Antreten mussten die Damen, so berichtet es die türkische Presse, im Ganzkörperschleier.

Der Fall des eifernden Selbstgerechten ist ein beliebter Topos in der modernen Medienkultur. Der Skandal um Ahmet Hodscha scheint nun vielen ein Beleg, dass auch der Islam seinen gerechten Anteil an Scheinheiligen hat. Es hätte kaum einen Passenderen treffen können.

"Die Frauen seien euer Ackerboden"

Ahmet Mahmut Ünlü, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, wuchs im Istanbuler Stadtteil Fatih auf, die Familie war Teil der İsmail-Ağa-Gemeinde, eines Ordens, in dem Meister Ahmet schnell Karriere machte. Es ist ein streng konservativer, antimodernistischer Islam, der von den İsmail-Ağa-Brüdern gelehrt wird, und es ist dieser reaktionäre Geist ("Die Frauen seien euer Ackerboden"), den Meister Ahmet ins Volk tragen möchte - mit modernsten Mitteln: Er betreibt einen Rundfunksender, eine Internet-TV-Plattform und eine Zeitschrift, die als iPad-App erhältlich ist.

Kaum eine Frage ratsuchender Gläubiger, auf die der Religionsgelehrte in seinen Videos nicht eine Antwort wüsste. Darf man beim Fasten Zähneputzen? "Nein". Ohrentropfen einträufeln? "Nein". (Augentropfen hingegen schon). Dürfen Frauen sich die Augenbrauen zupfen? "Nur dann, wenn sie zwischen den Augen zusammenwachsen und die Frau Gefahr läuft, wie ein Mann auszusehen." Gibt es UFOs? "Also, ich könnte jetzt nicht sagen, dass es keine UFOs gibt." Warum denn nicht? Weil ein Vers im Koran, so der Meister, "von 'strampelnden Wesen' spricht, die ER auf der Erde und im Himmel verbreitet hat."

Es ging nicht nur lustig zu

Dass also die zahlreichen Skeptiker einiges zu Schmunzeln hatten über die Jahre, ist ersichtlich, nicht verschwiegen sei jedoch, dass es nicht nur lustig zuging bei Meister Ahmet. Etwa wenn er gegen die Freundschaft mit Juden und Christen eiferte. Oder als er das verheerende Erdbeben von Izmit 1999 zur Strafe Gottes erklärte für eine Region, in der Ehebruch und Prostitution gefrönt worden sei.

Überhaupt hatte die Wolllust es ihm angetan. Barbie-Puppen verdammte er als "erregende Miniaturweiber". Masturbation sei höchstens als Notbremse erlaubt, "bevor einer über eine andere Frau herfällt."

Nun sieht es so aus, als falle der Hodscha über die Frauen. Wenn man der Polizei glauben darf, dann trug sich alles so zu: Über Jahre hinweg hätten der Assistent und der Fahrer des Meisters diesem die Frauen zugeführt. Der ehemalige Leibwächter Hamit Duysak wiederum habe die Techtelmechtel heimlich gefilmt und Meister Ahmet damit erpressen wollen. Der Meister wiederum und seine Leute hätten daraufhin mit der berüchtigten Karagümrük-Bande Kontakt aufgenommen, die sich den Leibwächter vorknöpfte. ("Lass' meinen Hodscha in Ruhe", sagt einer der Mafiosi laut einem von der Presse veröffentlichten Abhörprotokoll zum Leibwächter. "Sonst radier' ich dich aus.")

Eigentlich war die Polizei auf der Spur der Verbrecherbande, der Hodscha geriet ihr ihr nur nebenbei ins Netz. Seine Gemeinde ist bislang ungerührt. Sie wittert Verschwörung. Das neueste Video auf der Webseite von Ahmet Hodscha zeigt sie beim Gebet. Für den unschuldig inhaftierten Meister.

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