Türkei:Türkisches Religionsamt: Augenbrauenzupfen ist Sünde

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Kein Haar zu viel: Emine Erdoğan im Gespräch mit ihrem Mann, dem türkischen Präsidenten.

(Foto: AFP)
  • Das staatliche Religionsamt der Türkei erklärt die Entfernung von Haaren an Augen und Oberlippe von Frauen zu einer Sünde.
  • Allerdings zeigen sich auch Frau und Tochter des konservativen Präsidenten Erdoğan mit gezupften Brauen.

Von Deniz Aykanat

Türkische Politiker und Geistliche sparen seit jeher nicht mit wertvollen Ratschlägen für die Frauen in ihrem Land. Kopftuch rauf. Kopftuch runter. Werdet Ärztinnen und Pilotinnen. Nein, bleibt daheim bei Kindern und Küche. Oder nehmen wir eine konkretere Handlungsanweisung des ehemaligen türkischen Vize-Ministerpräsidenten Bülent Arınç: Der forderte, dass Frauen gefälligst nicht so viel lachen sollten. Zumal in der Öffentlichkeit und womöglich auch noch laut. Wie ordinär, geht gar nicht!

Falls die Türkin nicht schon längst an einer Persönlichkeitsstörung leidet, dann ist das nur ihrem über Jahrzehnte eingeübten Stoizismus zu verdanken. Und ihrem Humor. Unter dem Hashtag #direnkahkaha (übersetzt in etwa: beharrlich hahahaha) lachten sich Türkinnen erst recht kaputt über Arınç.

Auch das staatliche Religionsamt der Türkei ist ein steter Quell absurder Handlungsanweisungen für Frauen. Aktuell: Die "Pinzetten-Fatwa". Das Augenbrauenzupfen ist nämlich Sünde.

Diyanet, so heißt die oberste türkische Religionsbehörde, verkündete, die Entfernung von Haaren an Augen und Oberlippe sei unislamisch und eine Sünde. Ein Gläubiger hatte das Amt diesbezüglich gefragt. Nur bei "nicht normalem" Wuchs, der bei einer Frau psychologische Beeinträchtigungen verursache, kann demnach eine Ausnahme gemacht werden, melden türkische Medien. Urteile der Religionsbehörde, die in der Türkei für eine staatstreue Auslegung der Religion zuständig ist, nehmen Millionen Gläubige in der Türkei durchaus ernst.

"Wo sind unsere Mädchen, die leicht erröten"

Nun sind türkische Frauen für ihr oftmals volles Haar bekannt. Beneidenswerter Haarwuchs tritt aber oft nicht nur auf dem Kopf auf. Männer mit Rückenpelz wissen, wovon die Rede ist. Will frau also vermeiden, dass sich ihre Augenbrauen zu einer Monobraue verbinden, dann muss sie zupfen. Oder - wie in der Türkei üblich - die Haare mit der Fadentechnik ausrupfen lassen.

So machen es vermutlich auch Emine und Sümeyye Erdoğan, ihres Zeichens Frau und Tochter von Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Von Monobraue ist auf den makellosen Gesichtern der beiden jedenfalls nichts zu sehen. Geschweige denn Bartflaum über der Oberlippe. "Schande" titelt deshalb scherzhaft der Fernsehsender oda TV. Recht hat der regierungskritische Sender! Wenn die Frauen des frommen Präsidenten nicht mit gutem Beispiel vorangehen, wer dann?

"Wo sind unsere Mädchen, die leicht erröten, ihren Kopf senken und die Augen abwenden, wenn wir in ihre Gesichter schauen, und somit zu einem Symbol der Keuschheit werden?", sagte Vizepräsident Arınç damals bei seiner Anti-Lach-Forderung.

Ja, und wo sind die Mädchen, die wir wegen ihres Wildwuchses nicht mehr erkennen, wenn wir in ihre Gesichter schauen? Und die somit zu einem Symbol dafür werden, dass das türkische Religionsamt offensichtlich zu viel Zeit hat?

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