Türkei: Popstar festgenommen:Tarkan unter Verdacht

Der Sänger Tarkan spaltet seit jeher die türkische Nation. Nun ist er nach einer Drogenrazzia verhaftet worden. Während die Sittenwächter neue Nahrung finden, halten die Fans zu ihrem Idol.

Kai Strittmatter

Den Sittenstrengen in der konservativen Türkei war Tarkan von Anfang an suspekt. 1993 war das. Der Hüftschwung des jungen Elvis, dazu den Fans die nackte Brust entgegen gereckt. Stars hatte die Türkei schon davor. Einen Rebellen hatte sie jetzt. Einen, dessen Verse ("Kiss Kiss") einmal ganz Europa singen sollte.

Tarkans Satz "Ich muss mal pissen, Mann" ist bis heute ein Klassiker im Zitatenschatz der türkischen Popkultur. Noch immer gibt es Leute, die Tarkans "Abfall von den türkischen Sitten und Gebräuchen" beklagen. Dabei sind die wilden Zeiten längst vorbei. "Früher war ich eine Nervensäge, habe den Rockstar gespielt", sagte der in Deutschland geborene 37-Jährige im vergangenen Jahr der Süddeutschen Zeitung. "Heute bin ich reifer geworden, erwachsener."

In der Nacht zum Freitag hat die Polizei Tarkan festgenommen. Der Vorwurf: Drogenbesitz. Es gab eine Razzia in Tarkans Istanbuler Anwesen kurz vor Mitternacht; Presseberichten zufolge war die Aktion Teil einer Operation, die sechs Monate vorbereitet wurde. Neben Tarkan wurden neun weitere Verdächtige dem Staatsanwalt vorgeführt, darunter prominente Geschäftsleute, sowie ein Hürriyet-Journalist, dessen Kokaingeschäfte der Auslöser der Untersuchung gewesen sein soll.

Die Meldungen waren zunächst widersprüchlich. Der Zeitung Habertürk zufolge wurde bei Tarkan lediglich eine kleine Menge Haschisch gefunden. Dennoch verdächtige man ihn des Kokainmissbrauchs - ein Vorwurf, der offenbar auf abgehörten Telefongesprächen beruhe. "Tarkan wird vor Gericht stehen, so will es der Staatsanwalt", sagte der Gouverneur von Istanbul, Muammer Güler.

Größter Popstar der Türkei

In den Kommentarforen der großen Nachrichtenportale stellten sich viele Fans hinter Tarkan. "Zehntausende rauchen Hasch. Jeder tut es. Jeder weiß es. Keiner spricht darüber. Schade, was ihm widerfahren ist", schrieb einer. "Wir sind alle Tarkan!", ein anderer. Tarkans größte Erfolge liegen schon eine Weile zurück, aber er erfreut sich außerordentlicher Beliebtheit.

Weil er der größte Popstar ist, den die Türkei in den letzten 20 Jahren hervorgebracht hat, der einzige, der im Ausland Erfolg hatte, in Deutschland, in Russland, in Mexiko. Und weil er das Kunststück schafft, bescheiden und nett zu wirken. Superstargehabe ist seine Sache schon lange nicht mehr.

Zuletzt fand Tarkan eine zweite Berufung: "Ich bin ein Krieger für die Natur". Er schreibt Lieder gegen Umweltzerstörung, kämpft gegen den Ilisu-Staudamm im Südosten der Türkei und machte Schlagzeilen, als er sich für eine Kampagne der Tierschutz-Organisation Peta halbnackt mit einem Straßenhund ablichten ließ. Negative Energie bekämpfe er mit seinem neuen Hobby, der Fotografie, mit Musik und Sex. "Mit umweltverträglichem Sex."

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