Tschechien:Gegen den Strich

Not macht erfinderisch: Mit unorthodoxen Mitteln versuchen tschechische Grenzstädte, die Prostitution in den Griff zu bekommen - und stellen Freier im Internet bloß.

Klaus Brill, Prag

Es ist die reine Not, die so erfinderisch macht. Die Bürgermeister und Polizeichefs in tschechischen Grenzstädten greifen zu immer neuen Mitteln, um der Prostitution auf ihren Straßen Herr zu werden. In Chomutov (Komotau) veröffentlichte die Polizei jetzt auf ihrer Website die Fotos von Autofahrern, die gerade am Straßenrand mit einer Prostituierten ein anbahnendes Gespräch führen.

Tschechien: Drastische Methoden: Tschechische Polizisten stellen Freier an den Pranger.

Drastische Methoden: Tschechische Polizisten stellen Freier an den Pranger.

(Foto: Screenshot: www.mpchomutov.cz)

Sie hofft damit vor allem die Kunden aus Sachsen und Bayern abzuschrecken, die tagsüber oder am Abend für ein Schäferstündchen die Grenze überqueren. Tatsächlich zeigt das zwangsweise Outing bereits erste Wirkungen.

Den Bewohnern von grenznahen Städten wie Chomutov, Cheb (Eger) oder Dubí (Eichwald) ist es schon lange ein Ärgernis, dass ihnen der Kollaps des Kommunismus und die Öffnung der Grenzen im Jahr 1989 ein vorher unbekanntes und unerwünschtes Phänomen beschert haben, die öffentliche Prostitution.

Keine einheitliche Regelung

Dabei stören weniger die zahlreichen Bordelle, die sich entlang der deutsch-tschechischen Grenze auch in mancher kleinen Gemeinde am Waldrand etabliert haben. Ins Auge springen vielmehr besonders jene Prostituierten, die an belebten städtischen Verkehrswegen oder an Landstraßen mit auffälligen Verrenkungen auf sich aufmerksam machten. Oft halten sie sich auch in der Nähe von Schulen und Kindergärten auf, weshalb die Eltern und Anwohner seit Jahren ihren Kommunalpolitikern Dampf machten. Und diese kämpfen bereits lange dagegen an, dass ihre Städte und Gemeinden als reine Rotlichtbezirke europaweit in Verruf kommen.

Ihr Handlungsspielraum ist freilich arg beschränkt, weil es das nationale Parlament in Prag seit Jahren nicht schafft, die Prostitution in Tschechien einheitlich zu regulieren und den Kommunen die Instrumente für eine Ausweisung und wirksame Kontrolle von Sperrgebieten an die Hand zu geben. Da Proteste und politische Forderungen nichts nützten, wird jetzt mit spektakulären Aktionen auf die Misere aufmerksam gemacht, um die säumigen Politiker in Prag zum Handeln zu bewegen.

Peinliche Befragung

Der Einsatz der Kameras in der Leipziger Straße in Chomutov soll aber auch die Sextouristen aus Sachsen und Bayern und ihre Familien alarmieren.

Nach den Worten von Jan Rehak, dem stellvertretenden Bürgermeister, erhofft man sich eine abschreckende Wirkung, auch wenn die Gesichtszüge und Autokennzeichen der betreffenden Personen unkenntlich gemacht werden. Auf den Fotos, die unter der Adresse www.mpchomutov.cz im Internet zu finden sind, kann man gleichwohl besondere Eigentümlichkeiten eines Autos oder Aufkleber durchaus erkennen. Außerdem erwägen die Ordnungsbehörden, Freier und Prostituierte nach einer sexuellen Begegnung polizeilich darüber zu befragen, was sie da gerade miteinander getan haben. Auch dies dürfte manchem die Lust verleiden.

Andere Städte gehen ähnlich vor. In Aš (Asch), nicht weit vom bayerischen Selb entfernt, versuchte man es mit der Ausweisung eines Sperrgebietes, das mit einem Kussmund auf einem Verkehrsschild gekennzeichnet war. Die Liebesdienerinnen hielten sich jedoch nicht daran, und die Schilder wurden immer wieder gestohlen.

In Dubí (Eichwald) plante man ebenfalls die Veröffentlichung der Überwachungsfotos, doch konnten Datenschützer dies verhindern. Deshalb ermittelte die tschechische Polizei anhand der Autokennzeichen mit Hilfe ihrer deutschen Kollegen die Privatadressen ihrer Freier und schickte ihnen die Fotos samt einer Vorladung zum Gespräch. Worauf sich auch manche ungläubige Ehefrau am Telefon meldete, wie Bürgermeister Petr Pigral jetzt dem ARD-Hörfunk berichtete.

Die Sache hat einen sehr ernsten Hintergrund. Die meisten der Prostituierten, die in diesen Städten ihre Dienste anbieten, sind junge Mädchen aus Moldawien, der Ukraine, Weißrussland, von den Philippinen oder Brasilien. Sie werden mit falschen Versprechen nach Tschechien gelockt, dann von Zuhältern vergewaltigt, verprügelt, ihrer Pässe beraubt und als Sklavinnen gehalten.

Mehrfach hatte die Polizei in Tschechien in jüngerer Zeit kriminelle Banden von Mädchenhändlern gesprengt. So enttarnte man vor über einem Jahr einen Ring von Zuhältern im Raum Eger, dem Tschechen, Russen, Ukrainer, Moldawier und Israelis angehörten.

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