Trennung von Jolie und Pitt:Die Wühler und die Weisen im Fall Brangelina

Ist Jolie schon ausgezogen? Ermittelt die Bundesbehörde FBI gegen Pitt? Zahlreiche Gerüchte ranken sich um diese Scheidung. Das liegt auch daran, dass Hollywood ein großes Dorf ist.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wer jemals in einer Kleinstadt gewohnt hat, der kann sich zumindest vorstellen, was gerade in Hollywood los ist. Natürlich wirkt das alles immer so riesig in dieser Stadt an der Westküste der USA: die überlebensgroßen Plakate mit den perfekten und pickelfreien Gesichtern der Stars darauf. Die glamourösen Partys auf Dachterrassen und in ehemaligen Kathedralen, auf denen alle Gäste derart wichtig sind, dass mittlerweile sogar zwischen VVIPs (Very Very Important Persons) und VVVIPs unterschieden wird. Die Häuser am Strand, die Villen in den Hollywood Hills.

Wer ein paar Jahre in Los Angeles verbringt, der erfährt, wie normal das dann meist doch ist, bisweilen geradezu provinziell. Der Moderator der Late-Night-Show schüttet das gleiche Benzin in sein Auto, der Sohn der Serien-Hauptdarstellerin spielt auch nicht besser Fußball als der eigene Bub, die berühmte Tennisspielerin fragt am Strand nach Sonnencreme. Der Uber-Fahrer von heute ist der Serienstar von morgen (und der Starbucks-Mitarbeiter von übermorgen, falls die Serie nach zwei Folgen abgesetzt wird). Diese Leute, die so übermenschlich und unnahbar daherkommen, die haben Sonnenbrand und Pickel. Sie streiten. Sie lassen sich scheiden. Wie Angelina Jolie und Brad Pitt.

TMZ ist wie Bild, nur mit weniger Skrupel

Natürlich sind die beiden Weltstars. Keine VVVIPs, sondern MIPs (Most Important Persons). Brangelina, das ist wie Bogart und Bacall, Tracy und Hepburn, Burton und Taylor. Selbst wer sich in diesem Dorf, zu dem die Welt aufgrund sozialer Netzwerke mittlerweile geworden ist, überhaupt nicht für Jolie und Pitt interessiert, hat zumindest davon erfahren, dass Jolie, 41, über die Anwältin Laura Wasser die Scheidung eingereicht und über ihren Manager Geyer Kosinski mitgeteilt hat, keine Kommentare dazu abzugeben und sich Ruhe für die Kinder zu wünschen. Pitt, 52, wird vom Anwalt Lance Spiegel vertreten, in einem Statement heißt es: "Ich bin traurig, das Wohl unserer Kinder ist jetzt das Wichtigste. Ich bitte die Presse, den Kindern den Raum zu lassen, den sie nun brauchen." Das ist bekannt und bestätigt. Mehr nicht.

Wenn man das, was nun in Hollywood passiert - es wird nicht nur eine Sau durchs Dorf getrieben, sondern eine wild gewordene Büffelherde -, auf seine inhaltliche Essenz reduziert, dann unterscheidet sich das kaum von dem, was auch in einer Kleinstadt bei der Scheidung eines dort bekanntes Paares passiert. Das Promiportal TMZ übernimmt dabei die Rolle des Typen, der den ganzen Tag aus dem Fenster guckt, gerne auch mit Fernglas, der sich mit anderen Fensterguckern bespricht und dann alles hinausposaunt, was er glaubt, gesehen oder gehört zu haben. TMZ ist wie Bild, nur mit weniger Skrupel.

"FBI ermittelt gegen Brad Pitt" ist dort am Donnerstag zu lesen gewesen. FBI, das klingt freilich spektakulärer als Polizei. FBI, das hört sich an wie eine große Sache, wie Skandal, vielleicht sogar wie Verschwörung. Polizei klingt immer ein bisschen nach Falschparken und Strafzettel. Es soll einen Streit im Privatflugzeug auf dem Weg von Frankreich nach Minnesota gegeben haben, Pitt soll betrunken gewesen und dabei ausfallend und handgreiflich gegenüber den Kindern geworden sein. FBI, das ist in diesem Fall jedoch keine große Sache, sondern schlicht die zuständige Behörde.

Statement des FBI: "Prüfen, ob es Ermittlungen geben wird"

Nur: Bei der Bundesbehörde will auf SZ-Anfrage niemand bestätigen, dass es konkrete Ermittlungen gegen Pitt gibt, in einem Statement heißt es nur: "Wir sammeln Fakten und prüfen, ob es Ermittlungen geben wird." Meghan Aguilar vom Los Angeles Police Department (LAPD) sagte der SZ, dass ihre Behörde sogar bei TMZ angerufen habe, um das Portal darüber zu informieren, dass es vom LAPD aus keine Ermittlungen gegen Pitt gäbe: "Ich weiß nicht, ob die uns einfach nicht glauben. Ich kann nur sagen, dass es keine Anzeige oder Vorwürfe gegen Herrn Pitt gibt und dass er auch nicht von uns befragt wurde." Armand Montiel von der Jugendbehörde Los Angeles County Department of Children & Family Services sagt: "Wir sind rechtlich nicht dazu befugt, Ermittlungen zu bestätigen oder zu bestreiten."

Weil kaum etwas bekannt oder bestätigt ist, gibt es in Hollywood nun Gerüchte. Es gibt nicht nur Fenstergucker, es gibt auch Wühler und Weise. In der Kleinstadt patrouillieren die Wühler durch die Wohngegenden und treffen sich dann mit den Weisen am Stammtisch oder im Café. In Hollywood sind die Wühler die Paparazzi und die Weisen Reporter von Promiseiten wie Splash News. Die Wühler fotografieren einen Lastwagen vor dem Anwesen von Pitt, die Weisen wissen: Jolie zieht aus! Die Wühler fotografieren Jolies Kinder am Tag, bevor Jolie die Scheidung einreicht. Die Weisen wissen: Jolie hat die Kinder in den Park geschickt, um mit Pitt zu streiten! Die Wühler kramen ein Foto von vor sechs Jahren hervor, auf dem Pitt eine selbstgedrehte Zigarette in der Hand hält. Die Weisen wissen: Pitt raucht andauernd Haschisch!

All das wird berichtet von Menschen, die als "sources close to the family" oder "person with knowledge of the situation" gelten - was jedoch auch bedeuten kann, dass ein Fenstergucker lediglich den Kabelträger bei den Dreharbeiten von Allied befragt und so von der angeblichen Affäre Pitts mit Marion Cotillard erfahren hat. Cotillard selbst hat dieses Gerücht mittlerweile auf Instagram als falsch bezeichnet. Sie sei auch nicht "am Boden zerstört", wie manche behauptet hatten: "Mir geht es gut."

Alle - die Fenstergucker und die Wühler und die Weisen - kommen dann zusammen auf dem Marktplatz. Beim Hollywood Reporter etwa oder bei Variety, die sich nun bemühen, die Deutungshoheit über diese Scheidung zu erhalten. Eine der wichtigen Fragen ("Wer bekommt das Sorgerecht für die sechs Kinder?") wird anhand der kolportierten Erziehungsmethoden (Pitt soll streng sein, Jolie dagegen einen Laissez-faire-Stil bevorzugen) und der Eigenschaften der Kinder (Maddox soll nett sein, Zahara dagegen die intrigante Initiatorin wilder Streiche) bewertet. Es ist das Gegenteil der sowohl von Jolie als auch von Pitt erbetenen Ruhe für die Kinder.

Es gibt natürlich auch noch die ganz abstrusen Geschichten wie die Analyse, welche Auswirkungen diese Scheidung auf die Ehe generell haben könnte oder warum eine europäische Fluglinie billige Reisen nach Los Angeles (Brad ist Single!!!) anbietet.

Natürlich sprechen viele Menschen nun über Jolie und Pitt: in der Kleinstadt. In Los Angeles. In diesem Dorf namens Welt. Das ist in Ordnung, weil die Probleme der Promis - gerade weil sie so überdimensioniert dargestellt werden - dann immer so wahnsinnig groß wirken gegenüber dem, was wir so erleben. Das eigene Leben kommt einem plötzlich nicht mehr so langweilig oder ungerecht vor, wenn wir erfahren, dass es den Reichen und Schönen auch nicht anders geht. Wenn wir wissen: Sie tanken. Sie feuern ihre Kinder beim Fußball an. Sie lassen sich scheiden.

Was wir beim Lesen und beim Debattieren über die Scheidung von Angelina Jolie und Brad Pitt jedoch nicht vergessen sollten: Wir wissen alle gerade nicht besonders viel darüber. Nein, eigentlich, wissen wir alle gerade gar nichts.

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