Tragödie um Tysons Tochter:Das Herz eines Boxers

Lange schien es so, als würde Mike Tyson zur Ruhe kommen. Doch eine kurze Meldung bringt ihn wieder ins Rampenlicht - die tragische Geschichte des einstigen Ausnahmeboxers.

Holger Gertz

Man hatte länger nichts mehr gehört von Mike Tyson, und dass es offenbar nichts Neues gab, musste keine schlechte Nachricht sein. Mike Tyson, der alte Boxer, hatte sein Leben offenbar irgendwie in den Griff bekommen, etwas schien zur Ruhe gekommen zu sein. Eine kurze Meldung erzählt jetzt wieder etwas über Mike Tyson. Seine Tochter, vier Jahre alt, ist gestorben, beim Spielen mit einem Kabelseil hat sie sich stranguliert.

Tragödie um Tysons Tochter: Das Herz eines Boxers, AFP

Der Boxer als Täter und Opfer: Mike Tyson, ein Held, der aus der Spur geraten ist.

(Foto: Foto: AFP)

Man hatte schon länger nichts mehr gehört von Mike Tyson, aber es gibt vieles, an das man sich erinnern kann. Er war Boxer, und wenn man bei einem wie ihm von der besten Zeit reden kann, dann war er in seiner besten Zeit das populärste Schwergewicht seit Ali. Einer, für dessen Kämpfe die Fans in Europa mitten in der Nacht aufstanden, selbst wenn sie wussten, dass es ein kurzes Vergnügen werden würde.

Sein Schlag hatte die Kraft einer Abrissbirne, die meisten Kämpfe gewann er durch k.o. Mitte der Achtziger war er jüngster Schwergewichts-Champ aller Zeiten, nachdem er Trevor Berbick ausgeknockt hatte; die Jahre danach schien seine Geschichte einem Ablaufplan zu folgen, der in einem Drehbuch festgelegt worden war. Der Junge aus Bedford-Stuyvesant, dem schwärzesten und ärmsten Viertel von Brooklyn, wurde zum stärksten Mann der Welt. Wenn alles gutgegangen wäre, hätte er seinen Titel bis in die Gegenwart verteidigen können. Mike Tyson ist 42, es hat in der Geschichte des Boxens ältere Helden gegeben.

Geblieben sind die Falschen

Es ist aber nicht gutgegangen. Er saß im Gefängnis, wegen Vergewaltigung - bis heute behauptet Tyson, unschuldig verurteilt worden zu sein. Er kam später nochmal ins Gefängnis, wegen Körperverletzung. Dazwischen: Liebschaften, Trennungen, Schlägereien, Prozesse, Drogen, Psychoklinik. Er lebte das Leben vieler Boxer, aber bei ihm war alles noch gewaltiger. Während die anderen 10 Millionen Dollar Preisgeld erkämpften und durchbrachten, hat er 300 Millionen gewonnen und verloren. Seine Geschichte ist die eines Aufsteigers, der nicht umgehen kann mit seinem Aufstieg und der selbst schuld ist an seinem Sturz.

So kann man es sehen, der Boxer als Täter, andererseits ist er immer auch Opfer gewesen. Er hat Menschen verloren, die stärker waren als er, zuerst seinen Trainer Cus D'Amato, der wusste, welche Halunken sich herumtreiben im Boxbusiness. Später seinen Manager Jim Jacobs, der keine 60 war, als er starb. Mike Tyson hat immer die Richtigen verloren, geblieben sind die Falschen, der Boxmanager Don King etwa und seine Konsorten, die ihn zu einer Art menschlichem Tier aufbauten, zu einer Zirkusattraktion im Ring.

Als er schließlich bei einem Kampf gegen Evander Holyfield seinem Gegner ein Stück des Ohres abgebissen hat, analysierten Experten, dass nur eine drehende und zugleich zerrende Bewegung des Kiefers ein Stück Gewebe von einem menschlichen Ohr abtrennen könne. Ein Kampfhund sei dazu imstande - und Mike Tyson. Die Rolle, die er längst spielte, verhinderte, dass die Masse sich mit ihm versöhnt hätte, wie sie es zum Beispiel bei Maradona getan hat, einem ähnlich aus der Spur geratenen Idol.

Der Boxer Michael Gerard Tyson hat früher in ein paar Interviews davon gesprochen, dass er sich nach einem Ausweg sehne. Er wollte fliehen, aus seinem Lebenskäfig, vor seinem eigenen Image. Seiner kleinen Tochter, die jetzt gestorben ist, hat er einen sehr speziellen Namen gegeben. Sie hieß Exodus.

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