Totgeprügelter Berliner bestattet:Was bleibt, ist Fassungslosigkeit

In einer öffentlichen Trauerfeier nehmen die Berliner Abschied von Jonny K., der vor zwei Wochen am Alexanderplatz zu Tode geprügelt wurde. Der Hauptverdächtige soll sich in die Türkei abgesetzt haben.

Constanze von Bullion, Berlin

Trauerfeier fuer Jonny K.

Ein Mitarbeiter eines Bestattungsunternehmens legt für Jonny K. einen Kranz vor einem Foto des Verstorbenen ab.

(Foto: dapd)

Der gewaltsame Tod von Jonny K. hat in Berlin eine Welle der Anteilnahme ausgelöst. Am Sonntag nahmen viele in der Hauptstadt Abschied von dem jungen Mann, der nur 20 Jahre alt geworden ist, weil ihm jemand vor zwei Wochen morgens um vier Uhr am Alexanderplatz so hemmungslos gegen den Schädel getreten hat, dass er nicht wieder zu Bewusstsein kam.

Eine ganze Gruppe soll auf den Fachoberschüler losgegangen sein, mutmaßlich sechs junge Berliner mit türkischen Wurzeln, die von einer Party kamen und auf vier junge Männer mit asiatischen Wurzeln einschlugen. Weil sie unter Drogeneinfluss standen oder betrunken waren oder einfach nur so. Genau weiß das keiner.

Auch zwei Wochen nach dem Gewaltausbruch war die Fassungslosigkeit in der Stadt, in der es zuletzt immer wieder brutale Prügelattacken gegeben hatte, spürbar. Nicht nur Politiker zeigten sich schockiert von der Tat. Zuletzt riefen auch Radiosender die Berliner dazu auf, zur Beerdigung zu gehen und dort Gesicht zu zeigen gegen Gewalt. Bei einer Trauerfeier der etwas anderen Art.

Buddhistische Zeremonie

Jonny K. ist in Thailand geboren, dem Herkunftsland seiner Mutter. Sein Vater ist Deutscher, und er ist mit zwei Schwestern in Berlin-Marzahn groß geworden. Eine Familie ist das, die nach dem Schock der Todesnacht eine Flut von Beileidsbekundungen erhielt und sich zahllosen Reportern ausgesetzt sah. Also hat sich die Familie entschlossen, die Öffentlichkeit auch bei der Trauerfeier nicht auszuschließen.

Schon während einer ersten, privat gehaltenen, buddhistischen Zeremonie der Familie, an der auch Klaus Wowereit und der grüne Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland teilnahmen, versammelten sich Menschen vor dem Haus und legten Blumen nieder. Später luden Eltern und Schwestern am Sonntag zu einer öffentlichen Trauerfeier ein.

Zu der privaten Veranstaltung kamen zunächst etwa 30 Freunde und Verwandte, um Jonny K.s zu gedenken. Aber auch viele Fremde machten sich auf ins Berliner Westend, brachten Kerzen und Blumen mit, Zettel, um irgendein Zeichen zu setzen. Für den Abend dann, so ist es Brauch bei Buddhisten, war ein Abschiedsfest geplant. Im "Mio", also jenem Club, aus dem Jonny K. kam, als junge Leute seinem betrunkenen Freund einen Stuhl weggetreten haben sollen.

Das Bild klärt sich langsam auf

Jonny K. soll protestiert haben, offenbar deshalb griff man ihn an. Wer macht so etwas und warum? Die Ratlosigkeit ist groß in Berlin, das Bild aber klärt sich langsam auf. Es ist, so viel steht inzwischen fest, ein trostloses. Wenn stimmt, was die Staatsanwaltschaft aus 45 Hinweisen gefiltert hat, sind sechs Verdächtige nun namentlich bekannt. Aber nur drei sind auffindbar. "Wir gehen davon aus, dass mindestens einer sich abgesetzt hat", sagte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner. "Es gibt Hinweise, dass er die treibende Kraft war."

Nach Angaben von Ermittlern ist der mutmaßliche Haupttäter ein ehemaliger Amateurboxer, der wegen Gewaltdelikten bestraft wurde. Viermal, so berichtet der Spiegel, soll Onur U. verurteilt worden sein, wegen Nötigung, Körperverletzung und Mitführens eines Butterfly-Messers. Jetzt soll er in die Türkei geflüchtet sein.

Ähnlich jung, kaum volljährig, sind auch zwei weitere Verdächtige, die die Polizei nicht finden kann, vermutlich, weil sie im Ausland sind. In Untersuchungshaft sitzt bisher nur der 19 Jahre alte Osman. A., den die Polizei in seiner Berufsschule im Wedding festnahm. Er soll zugegeben haben, an der Tat beteiligt gewesen zu sein, schob die Hauptschuld aber auf Mittäter.

Das Gleiche taten ein 19- und ein 21-Jähriger aus dem Wedding, die sich der Polizei stellten. Der jüngere soll nicht auf Jonny K., sondern auf dessen Freund eingeprügelt haben, der nur verletzt wurde. Der ältere erschien mit seinen Eltern bei der Polizei. Er sei, so der Haftrichter, geständig und sozial fest eingebunden, es bestehe keine Fluchtgefahr.

Die beiden Verdächtigen wurden auf freien Fuß gesetzt. In Berlin hat das nicht jeder verstehen können.

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