Fünf Jahre Haft:Oscar Pistorius darf auf Hausarrest hoffen

  • Der südafrikanische Athlet Oscar Pistorius muss fünf Jahre in Haft. Womöglich muss er diese aber nicht vollständig im Gefängnis verbüßen.
  • Das Gericht in Pretoria hatte ihn vor einem Monat der fahrlässigen Tötung seiner Freundin Reeva Steenkamp für schuldig befunden.
  • Die Familie der Getöteten begrüßte die Entscheidung.
  • Eine dreijährige Haftstrafe wegen des widerrechtlichen Abfeuerns einer Pistole wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Die Haftstrafe

Oscar Pistorius muss für den Tod seiner Freundin Reeva Steenkamp für fünf Jahre ins Gefängnis. Vor dem Gauteng High Court in Pretoria hat Richterin Thokozile Masipa am Dienstagmorgen das Strafmaß verkündet. Eine dreijährige Haftstrafe für widerrechtlich abgegebene Schüsse wurde vollständig zur Bewährung ausgesetzt. Pistorius' Onkel kündigte an, die Familie akzeptiere die Strafe und verzichte darauf, in Berufung zu gehen.

Die Anklage hatte eine Haftstrafe von mindestens zehn Jahren gefordert. Die Verteidigung hatte sich dafür ausgesprochen, dass der 27-Jährige als Strafe für die tödlichen Schüsse gemeinnützige Arbeit leisten solle.

Schon am 12. September war der beidseitig beinamputierte Athlet der fahrlässigen Tötung für schuldig befunden worden. Das südafrikanische Strafrecht sieht für dieses Delikt keine Mindeststrafe vor, die Entscheidung über das Strafmaß lag ganz bei Richterin Masipa.

Umwandlung in Hausarrest möglich

Pistorius muss die fünf Jahre womöglich nicht vollständig im Gefängnis verbringen. Die Strafe könnte in ihrem Verlauf demnach teilweise in Hausarrest umgewandelt werden. Wie lange Pistorius mindestens in Haft verbringen muss, darüber widersprechen sich die Angaben. Seine Anwälte erwarten, dass er bereits nach zehn Monaten unter Hausarrest gestellt werden könnte, die nationale Anklagebehörde NPA erwartet einen solchen Transfer dagegen frühestens nach zwei Jahren.

Reeva Steenkamps Familie begrüßt Haftstrafe

June und Barry Steenkamp zeigten sich nach Ende des Prozesses erfreut über das Strafmaß. Reevas Mutter June sagte der Reporterin Alex Crawford, die Entscheidung sei für sie "eine Art Abschluss". Richterin Masipa hatte während ihrer Ausführungen die Hoffnung geäußert, dass die Familie der Getöteten mit Ende des Prozesses zur Ruhe finden könnte. Völlig abschließen könne sie mit dem Tod ihrer Tochter jedoch nicht. "Außer Sie können sie zurückzaubern."

Richterin spricht von schwieriger Balance

Zu Beginn des Gerichtstages hatte Masipa über die Schwierigkeiten einer gerechten Strafe gesprochen. Gerichte stünden jeden Tag vor dieser Herausforderung, die stets ein "ungenaues und imperfektes" Prozedere sei. Ausführlich begründete sie, warum sie weder eine Verurteilung zu Hausarrest noch eine Bewährungsstrafe für angemessen halte. Sie erläuterte in der etwa einstündigen Anhörung, dass es Aufgabe des Gerichts sei, die Balance zwischen verschiedenen Prinzipien einer Strafe zu finden: Zwischen Prävention, Abschreckung, Rehabilitierung, gesellschaftlichem Interesse und Wiedergutmachung. Zwar sei das öffentliche Interesse nicht mit dem zu verwechseln, was die Gesellschaft wolle, sagte Masipa - "das hier ist kein Popularitätswettbewerb" - und Rache nicht mit Wiedergutmachung. Letztere spiele jedoch eine wichtige Rolle.

Pistorius nimmt Strafe regungslos entgegen

Oscar Pistorius, der vor Verkündung des Strafmaßes unruhig auf seiner Bank umherzurutschen begann, nahm die Strafe ohne sichtbare Regung hin. Dann öffnete ein Justizbeamter die Tür im Saal, die direkt in die Zellen des Gerichtsgebäudes führt. Ruhigen Schrittes ging der Athlet Beobachtern zufolge hindurch. Von dort wurde er ins Gefängnis von Pretoria gebracht, das nur wenige Blocks vom Gericht entfernt liegt.

Die Anhörung

Fünf Tage lang hatten Staatsanwaltschaft und Verteidigung in der vergangenen Woche ihre Argumente für eine möglichst harte beziehungsweise möglichst milde Strafe vorgebracht, hatten Zeugen aufgerufen und versucht, die Richterin von ihrem jeweiligen Standpunkt zu überzeugen. Diese Anhörung, in Südafrika die Regel, ähnelt einem eigenen kleinen Prozess (lesen Sie hier mehr dazu).

Die Tat

Der heute 27-jährige Pistorius hatte in der Nacht zum Valentinstag 2013 seine damals 29 Jahre alte Freundin Reeva Steenkamp durch eine geschlossene Toilettentür in seiner Villa erschossen. Er hat stets beteuert, dass er sie für einen Einbrecher gehalten und es sich um einen tragischen Unfall gehandelt habe. Im Mordprozess folgte die Richterin dieser Version und sprach Pistorius nach mehr als 40 Verhandlungstagen der fahrlässigen Tötung schuldig.

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