Tödliche Schüsse auf Jugendlichen:"Das habe ich nicht gewollt"

Er habe um sein Leben gefürchtet: Im niedersächsischen Stade steht ein 80-Jähriger vor Gericht, der 2010 einen jugendlichen Einbrecher erschossen hat. Der Angeklagte plädiert auf Notwehr und entschuldigt sich bei der Familie des Jugendlichen.

"Das habe ich nicht gewollt." Im Dezember 2010 erschoss ein Rentner im niedersächsischen Sittensen einen 16-jährigen Räuber, als dieser flüchtete. Jetzt steht der Mann in Stade vor Gericht und hat durch seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung am Mittwoch eine Erklärung verlesen lassen. Sie richtet sich an die Angehörigen des Jugendlichen, die als Nebenkläger am Prozess teilnehmen. "Es tut mir sehr leid, dass Sie einen geliebten Menschen verloren haben", heißt es darin, "und ich ursächlich an seinem Tod beteiligt bin."

Der heute 80-Jährige durchlebte nach eigener Aussage Todesängste, weil er fürchtete, dass die Täter nach ihrer Flucht zurückkehren könnten. Darum habe er geschossen. Während der Verteidiger seine Erklärung vortrug, brach der 80-Jährige in Tränen aus. Die Mutter des getöteten 16-Jährigen begann ebenfalls zu weinen. Das Landgericht muss nun klären, ob der Angeklagte tatsächlich aus Notwehr handelte.

Die Verteidigung hatte bis zuletzt darauf beharrt, dass der Angeklagte nicht verhandlungsfähig sei. Das Gericht folgte dagegen dem Gutachten eines Psychiaters und beschied dem Rentner eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit. Eine tägliche Verhandlungsdauer von bis zu vier Stunden sei ihm trotz einer posttraumatischen Belastungsstörung zuzumuten, sagte der Vorsitzende Richter. Das Gericht ist der Ansicht, dass der Rentner nach seinen Weinkrämpfen in der Lage sei, sich wieder zu beruhigen und zu sammeln. Außerdem werde man ihn mit belastenden Aussagen von Zeugen nicht konfrontieren.

Tod auf der Flucht

Die inzwischen verlesene Anklage legt dem Mann zur Last, den Jugendlichen erschossen zu haben, als dieser ihn gemeinsam mit vier anderen Männern in seinem Haus im Kreis Rotenburg/Wümme überfiel. Sie hatten den Tipp bekommen, dass dort "Millionen" zu holen seien. Zwei Männer hielten den Rentner in Schach, die drei anderen durchsuchten das Haus nach Wertgegenständen. Als die Alarmanlage losging, schoss ihnen der Angeklagte mit einer Pistole mehrfach hinterher. Dabei wurde der 16-Jährige aus Neumünster tödlich verletzt.

Die Komplizen des Jugendlichen stellten sich den Behörden und wurden später wegen räuberischer Erpressung und Körperverletzung zu Freiheitsstrafen zwischen dreieinhalb Jahren und vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Eine 21 Jahre alte Frau erhielt wegen Anstiftung zu einer Bewährungsstrafe.

Der Prozess gegen den Rentner aus Sittensen wird am 7. Mai mit der Vernehmung von Zeugen fortgesetzt.

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