Tod von Jörg Haider:Schüsse ins Blaue

Um Haiders Unfalltod ranken sich zahllose Verschwörungstheorien. Auch nach seiner Einäscherung sprechen Anhänger des verstorbenen Kärntner Landeshauptmanns von Mord.

Michael Frank, Wien

Den früheren Wiener Bürgermeister Helmut Zilk hat Österreich zwei Wochen nach seinem Tod in einem Ehrengrab des Zentralfriedhofes zur letzten Ruhe gebettet. Der tote Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider hingegen kam erst mehr als vier Wochen nach seinem tödlichen Unfall unter die Erde.

Tod von Jörg Haider: Wird von seinen Anhängern bereits zur quasireligiösen Lichtgestalt verklärt: Jörg Haider, der vor vier Wochen bei einem offenbar selbstverschuldeten Autounfall ums Leben kam.

Wird von seinen Anhängern bereits zur quasireligiösen Lichtgestalt verklärt: Jörg Haider, der vor vier Wochen bei einem offenbar selbstverschuldeten Autounfall ums Leben kam.

(Foto: Foto: Reuters)

Der Volkstribun und Rechtspopulist ist in der Nacht zum 11. Oktober südlich von Klagenfurt bei einem selbstverschuldeten Autounfall umgekommen. So sehen es Polizei, Behörden und auch seine Familie.

Die Tatsache aber, dass Haiders Leichnam am Montag erst nach wochenlangen Auseinandersetzungen eingeäschert wurde - eine Urnenbeisetzung entsprach dem Wunsch des Verstorbenen - gibt Anlass für Gerüchte. Für Verschwörungstheoretiker in Österreich sind es gerade große Zeiten.

Querschläger und K.-o.-Tropfen

Claudia Haider, die Witwe des so populären wie verhassten Politikers, hatte erst Ende vergangener Woche versucht, dem Geschwätz und den Spekulationen ein Ende zu bereiten. Die Familie wollte, dass Haiders Urne in einer Kirche auf dem weitläufigen Familienbesitz im Südkärntner Bärental beigesetzt wird. Und dort sollen Beisetzung und Trauerfeierlichkeiten nach Information der Zeitung Österreich nun auch stattgefunden haben - im engsten Familienkreis.

Haiders Witwe und Töchter hatten sich bisher geweigert, den genauen Ort der Ruhestätte auf dem Areal bekanntzugeben - mit der Begründung, dass sich sonst eine Art Wallfahrt von Verehrern aus der rechtsextremen Szene entwickeln könnte.

Doch in einem strikt regulierten Land wie Österreich mit strengsten Beerdigungsvorschriften waren für diese Beisetzung offenbar große bürokratische Hürden zu überwinden. Das fragliche Gotteshaus war eigentlich nicht als Gruft oder Beerdigungsstätte zugelassen.

Frau Haider wollte allein dies als Grund gelten lassen, warum die sterblichen Überreste ihres Mannes so lange auf den letzten Gang warten mussten. Die Behörden wollten sich wohl auch die Möglichkeit offen halten, nach der offiziellen Autopsie Haiders Leichnam untersuchen zu können. Eine Vorsichtsmaßnahme, um Theorien über Fremdverschulden bei dem spektakulären Unfall Paroli zu bieten.

Von Amts wegen gibt es keinen Zweifel, dass Haider mit 1,77 Promille Alkohol im Blut im Ortsbereich mit einer Geschwindigkeit von 184 Stundenkilometern unterwegs war. Er verlor die Kontrolle über das Fahrzeug offenbar auch deshalb, weil er verbotener Weise mit seinem Mobiltelefon hantierte. Doch aus der Haider-Gemeinde, der ohnehin ein Hang zum latenten Antisemitismus vorgeworfen wird, kam sofort die "Gewissheit", der Araber-Freund sei vom israelischen Geheimdienst Mossad umgebracht worden.

Versionen über "Beweise" für Methoden und weitere Mordanstifter schossen sofort ins Kraut. Haider seien K.-o.-Tropfen verabreicht worden; man habe sein Auto manipuliert; ja auf den Wagen sei geschossen worden; man habe einen Sattelschlepper auf der Straße quergestellt, in den der Politiker mit seiner Dienstlimousine gerast sei, heißt es. Viele Theorien operieren mit Fotos vom Unfallort, die ein argloser Polizist vorschriftswidrig weitergegeben hatte. Die Lust am Verschwörungs-Szenario tobt sich hauptsächlich im Internet aus. Bemerkenswert daran ist, wie viele Österreicher, den eigenen Landsleuten und der ganzen Gesellschaft eine Geistesverfassung attestieren, die vor Mord und Totschlag nicht zurückschreckt.

Tatsächlich beginnt der Mythos Haider rasch zu verblassen. Echte und gekünstelte Empörung lösen Versuche aus, sich dem Thema satirisch zu nähern. Die Kabarettisten Dirk Stermann und Christoph Grissemann hatten von wundersamen Erscheinungen des toten Haider in Kärnten berichtet, um so das pseudoreligiöse Tremolo der Haider-Partei BZÖ aufs Korn zu nehmen. Doch einen im Dezember geplanten Auftritt in Kärnten haben die Satiriker kürzlich abgesagt, nachdem Radmuttern am Auto des Veranstalters gelockert wurden und es zahlreiche weitere Drohungen gegeben haben soll.

Gerade ist auch eine Doppel-DVD mit der offiziellen Trauerfeier für Jörg Haider und sämtlichen Reden erschienen. Die BZÖ hatte schon bei den Trauerfeierlichkeiten mit Vokabular direkt aus der katholischen Liturgie den Toten zu einer Erlösergestalt zu stilisieren versucht. Der versammelte Klerus hat dem bis heute fortgesetzten Missbrauch kirchlicher Symbolik durch die Haider-Gefolgschaft nicht widersprochen.

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