Tod in Polizeizelle in Dessau:Milde Strafen?

Im Prozess um den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in Dessau fordert die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe für den angeklagten Polizisten.

Hans Holzhaider

Im Prozess um den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Zelle des Polizeireviers in Dessau hat die Staatsanwaltschaft am Montag gefordert, den Angeklagten Andreas S. zu einer Geldstrafe von 4800 Euro zu verurteilen.

Tod in Polizeizelle in Dessau: Nach Meinung der Protestierenden in Dessau ist Oury Jalloh ermordet worden.

Nach Meinung der Protestierenden in Dessau ist Oury Jalloh ermordet worden.

(Foto: Foto: ddp)

Jalloh war am 7. Januar 2005 zu Tode gekommen, nachdem in der Zelle, in der er auf einer Matratze liegend an Händen und Füßen angekettet war, ein Brand ausgebrochen war. Der Polizeibeamte Andreas S. war an diesem Tag als Dienstgruppenleiter im Polizeirevier Dessau eingesetzt. Nach Überzeugung von Staatsanwalt Christian Preissner hätte S. das Leben des 23-jährigen Afrikaners retten können, wenn er sich, nachdem ein Rauchmelder in Jallohs Zelle Alarm ausgelöst hatte, auf dem Weg in den Zellentrakt mit einem Feuerlöscher ausgerüstet hätte.

Für den zweiten Angeklagten, den Polizeibeamten Hans-Ulrich M., beantragte der Staatsanwalt Freispruch. M. hatte der Anklage zufolge bei der Durchsuchung Jallohs ein Feuerzeug in dessen Hosentasche übersehen. Dafür habe die Verhandlung keinen Beweis erbracht, sagte Preissner. Es gebe auch andere Möglichkeiten, wie Jalloh in den Besitz des Feuerzeugs gelangt sein könne.

Der Staatsanwalt schilderte ausführlich den Ablauf des Tages, an dem Jalloh, der aus Sierra Leone stammte, zu Tode kam. Der Asylbewerber war am frühen Morgen festgenommen worden, weil sich zwei Frauen von ihm belästigt fühlten. Er war stark angetrunken und stand vermutlich auch unter Drogeneinfluss.

Weil die beiden Streifenbeamten seine Identität nicht feststellen konnten, verbrachten sie ihn aufs Polizeirevier. Sie sagten aus, Jalloh habe sich heftig zur Wehr gesetzt, auch als ein Arzt eine Blutprobe entnehmen sollte, habe er heftig um sich geschlagen. Deshalb sei er in einer Gewahrsamszelle an Händen und Füßen fixiert worden, um eine Selbstverletzung zu verhindern.

Keinen Feuerlöscher dabei

Im Lauf des Vormittags war die Zelle, in der Jalloh lag, mehrmals kontrolliert worden, zuletzt um 11:45 Uhr durch eine Beamtin, die in der Einsatzzentrale zusammen mit dem Angeklagten Andreas S. Dienst hatte. Eine Viertelstunde später hatte der Rauchmelder in Jallohs Zelle Alarm ausgelöst.

Die Beamtin machte im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben darüber, wie viel Zeit nach dem ersten Alarm verging, bis S. sich mit den Zellenschlüsseln auf den Weg in den Keller machte. Nach Überzeugung des Staatsanwalts habe er jedenfalls zu viel Zeit verstreichen lassen. S. hatte angegeben, er habe nicht an die Möglichkeit eines Brandes in der Zelle gedacht.

"Das ist ihm vorzuwerfen", sagte Staatsanwalt Preissner. S. hätte "pflichtgemäß" einen der Feuerlöscher, an denen er auf dem Weg in den Keller vorbeikam, mitnehmen müssen. Dann, so Preissner, wäre es ihm möglich gewesen, Jallohs Leben zu retten. Die Schuld des Polizeibeamten bewege sich allerdings "im geringeren Bereich".

S. sei nicht verantwortlich für den Ausbruch des Feuers in der Zelle. Mit Sicherheit sei davon auszugehen, dass Jalloh selbst die Matratze, auf der er lag, in Brand gesetzt habe. Versuche hatten ergeben, dass ihm das trotz der Fesselung ohne weiteres möglich war.

Welches Motiv Jalloh dafür hatte, sei unklar geblieben, sagte Preissner. Er gehe aber davon aus, dass Jalloh sich nicht selbst umbringen wollte. Möglicherweise habe er lediglich auf sich aufmerksam machen wollen und wegen seiner Alkoholisierung die Gefahr seiner Handlungsweise nicht erkannt. Auszuschließen sei, dass eine oder mehrere Personen in Jallohs Zelle eingedrungen und das Feuer dort gelegt hätten, um den Asylbewerber zu töten.

Dafür, so der Staatsanwalt, habe sich in dem ganzen Verfahren "nicht der geringste Anhaltspunkt ergeben". Es habe für die Staatsanwaltschaft deshalb auch kein Anlass bestanden, Ermittlungen wegen Mordes aufzunehmen. "Wir müssen konzedieren, dass dies ein Unglücksfall ist", sagte der Staatsanwalt.

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