Tierschutz:Zu Tode geliebt

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Fettreich, saftig, schmackhaft: Der Omul als Aushängeschild. (Foto: imago/Thomas Lebie)

In Russland gilt der Omul als Kult-Fisch, er ist ein beliebtes Touristenessen sowie Lebensgrundlage vieler Einwohner rund um den Baikalsee. Nun darf der ungewöhnliche Fisch nicht mehr gefangen werden.

Von Frank Nienhuysen

Der Omul schaffte es auf den Teller von Wladimir Putin genau an dem Tag, an dem in Russland Präsidentenwahl war. Beim Mittagessen in einem Moskauer Restaurant war die Staatsspitze versammelt, es wurden Witze gemacht, es wurde gelacht, und auch dem Omul als Spezies ging es damals vergleichsweise gut. Der Fisch aus dem sibirischen Baikalsee hatte genug Artgenossen, dass er sich keine allzu großen Sorgen um seine Existenz machen musste. Knapp zehn Jahre später ist der Bestand wegen Überfischung und offenbar auch aufgrund von Wasserverschmutzung allerdings derart dezimiert, dass die Behörden Konsequenzen gezogen haben.

Seit Anfang des Monats darf der Omul nicht mehr gefangen werden. Sogar die Sonderpolizei Omon wurde bei Verstößen gegen das Verbot schon eingesetzt. In den vergangenen Tagen gab es zahlreiche Razzien, Fischfunde und Festnahmen. Zur Rettung des Omuls wird hart durchgegriffen, das sagt viel aus über den ungewöhnlichen Fisch.

Der Coregonus migratorius ist eine Lachsart und rein äußerlich nicht einmal ein optisches Spektakel. Im Schnitt 30 bis 60 Zentimeter groß, bis anderthalb Kilogramm schwer, ist der Omul einer Maräne ähnlich. Allerdings: Er schwimmt ausschließlich im berühmten Baikalsee und umliegenden Gewässern, und der Baikalsee wiederum, tiefster See und größtes Süßwasser-Reservoir der Welt, ist allein schon eine Besonderheit - und Welterbe der Unesco.

Präsident Putin höchstselbst setzte am Baikalsee einen Schwarm junger Fische aus

Der Omul, fettreich, saftig und mit zartem, schmackhaftem Fleisch, ist für den Baikalsee deshalb ein wichtiges Aushänge-Exemplar. In den Touristenorten wie Chuschir und Listwjanka wird er an fast jeder Ecke verkauft, eingewickelt in Butterbrotpapier, schön triefend, meistens lange geräuchert, oder auch leicht gesalzen. Touristenkantinen auf der Halbinsel Olchon verarbeiten ihn auch gern im Auflauf und in der Suppe. Im Ort Baikalsk gibt es sogar ein Omul-Festival, nur dass in diesem Sommer der Sieger sich mit dem Fang von Äschen begnügen musste, weil er keinen einzigen Omul zu fassen bekam. Der schwimmt allerdings auch schon mal in 300 Metern Tiefe.

Für viele Bewohner rund um den gewaltigen See ist der Omul seit Jahrhunderten Lebensgrundlage. Und auch die Touristen, die mit der Transsibirischen Eisenbahn auf dem Weg nach Wladiwostok oder Peking einen Stop am Baikalsee machen, lassen sich den Kult-Fisch schmecken. Sie alle werden sich umstellen und auf andere Fische ausweichen müssen. Wie konnte es soweit kommen?

Tier- und Umweltschützer kritisieren eine unkontrollierte Wilderei, Präsident Putin selber beklagte im August bei einem Besuch am Baikalsee eine "extrem hohe Verschmutzung" und erklärte den Schutz der sibirischen Naturperle zu einer "Priorität der Regierung". Die Generalstaatsanwaltschaft wies er an, das Baikalgebiet auf "illegale und ökologisch schädliche Aktivitäten" zu untersuchen. Einen Schwarm junger Baikal-Omuls setzte er bei der Gelegenheit auch gleich aus. Seine Botschaft: Nach sibirischen Tigern kümmert er sich jetzt auch um den berühmten Baikal-Fisch.

Auf gerade mal etwa 12 000 Tonnen und damit 8000 Tonnen weniger als noch vor zehn Jahren wird der Omul-Bestand geschätzt. Und wenn es in den umliegenden, deutlich kleineren Gewässern auch noch kein Fangverbot gibt, so soll zumindest der waschechte Baikal-Omul auf den Märkten in der nahen Großstadt Irkutsk seit dem Verbot kaum noch zu haben sein. Restaurants und Cafés greifen auf eingefrorenen Vorrat zurück. Das Portal baikal-info.ru berichtete gar von Gerüchten, dass andere Fische einfach als Omul ausgegeben worden seien. Wer kennt schon immer den Unterschied?

Fatal wäre es indes für jene, die auf einen Glauben setzen, der in der Region vorkommt: "Wenn ein Sibirjak schwer erkrankt ist und kurz davor steht, seine Seele an Gott zu geben, dann muss man ihm mit einem Omul-Schwanz über die Lippen streichen, und sofort lebt er wieder auf."

© SZ vom 24.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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