Tierschutz:Der Fallensteller

Ofir Drori

Zum Schutz der Tiere setzt Ofir Drori (hier mit beschlagnahmten Stoßzähnen) all jene Gesetze um, über deren Einhaltung eigentlich der Staat wachen müsste.

(Foto: Jean Francois Lagrot)

Ofir Drori hat nur ein Ziel: Afrikanische Wilderer und ihre Komplizen so schnell wie möglich hinter Gitter zu bringen. Seine Methoden sind ungewöhnlich. Ein Treffen mit dem Jäger der Jäger.

Von Marlene Weiss

Ofir Drori verhandelt. "Money no problem", schreit er mit kehliger Stimme in sein Telefon. "Was, 50? 50 ist zu wenig, ich brauche mehr!" Elfenbeinschmuck, -ketten, -ohrringe sollen es sein, aber gute Ware, bitte, und viel, der Preis ist egal. Er ruft in Uganda an. Laut seinem Skype-Account: aus Thailand.

1200 Verurteilungen haben Drori und seine 85 Mitstreiter erreicht

Dann legt er auf, strahlt zufrieden. Das Schauspiel ist zu Ende. In Wirklichkeit ist Drori gar kein schmieriger Sammler, sondern Chef-Aktivist und Wildtier-Schützer. Er sitzt auch nicht in Thailand, sondern in einem vollgestopften Büro der Umweltorganisation Pro Wildlife in München, wo er für ein paar Tage zu Besuch ist. Dann ruft er Rashid an, der in Wirklichkeit ganz anders heißt und die Operation in Uganda leitet. Beide Männer haben ein Ziel: Wilderer und ihre Komplizen in Afrika so schnell wie möglich hinter Gitter bringen.

Wenn es so endet wie in den meisten Fällen, wird der Händler in Uganda irgendwann mit seiner illegalen Ware bereitstehen, die Falle schnappt also zu, und die Polizei nimmt ihn fest. 1200 Verurteilungen von Wildtier-Händlern haben Drori und seine inzwischen 85 Mitstreiter in den vergangenen Jahren erreicht. Zum Teil brachten sie mächtige Leute zu Fall; den Elfenbeinhändler Emile N'Bouke in Togo zum Beispiel, der in die Tötung von Zehntausenden Elefanten verwickelt war. Oder Ansoumane Doumbouya, lange Guineas oberster Wildtierschützer. Ihm wird Handel mit Menschenaffen vorgeworfen. Feinde hat Drori genug. Seine Arbeit ist gefährlich. Lebensgefährlich.

In Kamerun wurde ihm ein lebender Babyschimpanse angeboten

Es geht nach draußen, in die Münchner Märzkälte. Der Aktivist fröstelt, er ist wärmeres Wetter gewohnt. Bei einem Cappuccino in einem Café, in dem der uneitel wirkende Drori neben den schicken, Kräutertee trinkenden Yoga-Damen wie ein Fremdkörper wirkt, berichtet er, wie einer seiner Mitaktivisten gekidnappt wurde und fast umgebracht worden wäre. Seine Erzählungen klingen abenteuerlich.

Die Geschichte des Netzwerks beginnt 1998, als Ofir Drori, geboren und aufgewachsen in Israel, nach dem Militärdienst mit 22 Jahren zum zweiten Mal nach Afrika kommt. Jahrelang reist er durch den Busch und besucht indigene Völker. Nebenbei arbeitet er als Journalist und landet irgendwann in Yaoundé, Kamerun, wo er nach Aufenthalten an Kriegsschauplätzen über bedrohte Menschenaffen schreiben will, zur Erholung. Auf den Marktplätzen sieht er, wie Schimpansenfleisch ziemlich offen verkauft wird. Dabei gibt es da schon seit 13 Jahren ein Gesetz, das Wilderei unter Strafe stellt, mit bis zu drei Jahren Gefängnis. Drori erkundigt sich, wie oft das angewandt wurde. Noch nie.

Auf der Suche nach einem positiven Ende für seinen deprimierenden Artikel, sagt Drori, habe er mit Umweltorganisationen und internationalen Institutionen gesprochen. "Ich habe sie gefragt, was sie für die Durchsetzung der Gesetze tun. Da hieß es, dafür sind wir nicht zuständig. Wir machen Workshops." Drori legt sehr viel Verachtung in das Wort "Workshop".

In einem Dorf in der Nähe von Yaoundé, erzählt er, habe er dann Männer getroffen, die ihm einen lebenden Babyschimpansen verkaufen wollten. Er meldete das der Polizei, aber ohne Bezahlung wollten die Polizisten einfach nichts tun. "Mit dem Gesicht des Schimpansenbabys wurde es persönlich für mich", sagt Drori. In dieser Nacht habe er nicht schlafen können. Stattdessen habe er eine Cola nach der anderen getrunken und seine Ideen für eine neue Nichtregierungsorganisation (NGO) aufgeschrieben, die knallhart staatliche Gesetze durchsetzt. Am nächsten Morgen ging er zurück zu den Schimpansenhändlern und bluffte: Die Polizei sei unterwegs, es drohe jahrelange Haft. Irgendwann wurden die Männer nervös und wollten den kleinen Schimpansen nur noch loswerden. Drori befreite das traumatisierte, wundgescheuerte Tier von seinen Fesseln, es sprang ihm in die Arme und ließ ihn nicht mehr los.

Droris NGO hat in acht Länder expandiert

Auf die Schnelle fand sich kein Heimplatz für den Babyschimpansen, also wurde Drori über Nacht zum alleinerziehenden Schimpansenvater, mit Windelwechseln und nächtlichem Flaschenfüttern; Geld war keins da. Nicht die ideale Situation, um eine revolutionäre NGO zu gründen. Aber irgendwann traf er auf einen Polizisten, dem die grassierende Korruption ebenfalls zuwider war. Beide gründeten die Organisation Laga, "The Last Great Ape". Sieben Monate später wurde mit Hilfe von Laga erstmals in Zentralafrika ein Wildtierhändler verhaftet und verurteilt. Inzwischen bringt allein diese Organisation nach eigenen Angaben etwa einen Händler pro Woche vor Gericht. Hinzu kommen die Fälle einiger Laga-Ableger, Drori hat ja in acht Länder expandiert. Zusammen bilden sie das "Eagle"-Netzwerk.

Bis heute ist Drori skeptisch, was die Effektivität der großen Organisationen angeht, obwohl er etwa mit dem World Wide Fund For Nature (WWF) zuweilen zusammenarbeitet. Doch für ihn sind sie Teil des Systems. "Die Rollen sind unterschiedlich", versichert hingegen Johannes Kirchgatter, WWF-Referent für Afrika. Droris Organisation - die er sehr lobt - sei unabhängig, der WWF dagegen kooperiere auch mit staatlichen Stellen, um etwa Ranger auszubilden und Gesetze zu verbessern: "Beides ist wichtig."

Wer auch immer bestechlich sein könnte, wird von den Wildschützern angesprochen

Droris Aktivisten ersetzen den Staat dort, wo er versagt. Sie suchen nach Wilderern und Händlern. Ist einer identifiziert, werden gerichtsfeste Beweise gesammelt. Dann teilen sie der Polizei mit, wann und wo die Verdächtigen auf frischer Tat ertappt werden können, und sorgen wenig zimperlich dafür, dass die Verhaftung über die Bühne geht. "Wir sagen den Polizisten: Hört zu, das hier ist eine Operation, ihr macht mit, und wenn irgendjemand etwas tut, was er nicht tun soll, lasse ich ihn auch verhaften", erklärt Ofir Drori.

Ist das noch Gerechtigkeit, oder geht es zu weit? Nachfrage bei denen, die es wissen müssten: beim "Great Apes Survival Partnership" (Grasp) der Vereinten Nationen. Douglas Cress, Grasp-Koordinator, antwortet schnell und entschieden: Man sei stolz, mit Laga und dem Eagle-Netzwerk zusammenzuarbeiten. Das Netzwerk sei wie sein Gründer, "mutig, innovativ, unermüdlich und vor allem: erfolgreich".

Nach jeder Verhaftung kontaktieren die Aktivisten den Haftrichter, den Polizeichef, einen Minister - wer immer anfällig für Bestechung sein könnte. Sie alle werden freundlich darauf hingewiesen, dass man die Sache im Auge habe. Verdächtige in Untersuchungshaft werden zweimal täglich "besucht", falls sie plötzlich verschwinden sollten und man sie wieder einsammeln muss, was öfter passiert. Kommt die Sache vor Gericht, beauftragt die Landesorganisation des Netzwerks einen Anwalt, der etwa das Wildtier-Ministerium als Nebenkläger vertritt. Er wird mit Informationen versorgt, kann den Staatsanwalt unterstützen und dem Richter auf die Finger schauen. "Es ist nie gut, wir müssen immer weiterkämpfen", sagt Drori. In seiner E-Mail-Signatur steht ein Zitat, das Abraham Lincoln zugeschrieben wird: "Ein Gesetz ohne Durchsetzung ist nur ein guter Rat."

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