Thronverzicht von Juan Carlos:Neuer König in zwei Wochen

Spain's Crown Prince Felipe and King Juan Carlos attend a ceremony at the Monastery of San Lorenzo de El Escorial outside Madrid

Der künftige König Felipe mit seinem Vater Juan Carlos am Dienstag bei einer Militärparade in El Escorial.

(Foto: REUTERS)

Abdankung im Eilverfahren: Prinz Felipe soll bereits in zwei Wochen zum neuen König aufsteigen. Mit seinem Thronverzicht verliert Juan Carlos automatisch seine Immunität. Dann könnten ihm zwei Vaterschaftsklagen drohen.

Von Thomas Urban, Madrid

Tausende von Spaniern haben auch am Dienstag für ein Referendum über die Abschaffung der Monarchie demonstriert. Am Vorabend hatten wenige Stunden nach der überraschenden Ankündigung von König Juan Carlos, er werde zu Gunsten seines Sohnes Felipe abdanken, in zwei Dutzend Städten Demonstranten die Einführung der republikanischen Staatsform gefordert. Allein an der Puerta del Sol in Madrid waren es mehr als 20 000, die sich unter den rot-gelb-violetten Fahnen der spanischen Republik versammelten. Sie waren vor allem über soziale Netzwerke mobilisiert worden. Politiker linksgerichteter Oppositionsgruppen schlossen sich der Forderung nach einem Referendum an. Der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy erklärte hingegen, der künftige König, der den Namen Felipe VI. tragen wird, könne sich auf eine breite Unterstützung der Bevölkerung stützen. Doch erlaube es die demokratische Ordnung jedem, für eine Änderung der Verfassung einzutreten.

Das Kabinett trat am Dienstag zusammen, um über die gesetzliche Regelung für die Thronfolge zu beraten. Die Verfassung hat dazu keine Einzelheiten festgelegt, das Parlament hat es in der 39 Jahre währenden Amtszeit des Königs versäumt, das nötige Gesetz auszuarbeiten. Nach Berichten der Madrider Medien hat die große Mehrheit der Parlamentsfraktionen, die zusammen neun Zehntel der Sitze ausmachen, bereits ihre Zustimmung zur Inthronisierung Felipes signalisiert, der im Parlament einen Eid auf die Verfassung ablegen muss.

Volksbefragung zur staatlichen Unabhängigkeit

Bei der Abstimmung über das Gesetz zur Thronfolge werden sich nach eigenem Bekunden die Abgeordneten aus dem Baskenland enthalten, Gegenstimmen werden von den Vertretern Kataloniens im Parlament in Madrid erwartet. Der katalanische Ministerpräsident Artur Mas erklärte, die Abdankung des Königs ändere nichts an dem Plan der Regierung in Barcelona, am 9. November eine Volksbefragung über den Weg zur staatlichen Unabhängigkeit durchzuführen. Bei den Europawahlen vor zehn Tagen hatten in der Region Katalonien Parteien, die für die Loslösung von Madrid eintreten, mehr als 60 Prozent der Stimmen erhalten. Barcelona war im spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) Hochburg der Republik.

Das Gesetzesprojekt muss nun erst alle parlamentarischen Instanzen durchlaufen. Wie aus Parlamentskreisen verlautet, soll der 46 Jahre alte Felipe dann am 18. Juni die Nachfolge seines 76-jährigen Vaters antreten. Dieser war als Enkel des letzten spanischen Königs Alfons XIII. vom Diktator Francisco Franco als neuer Herrscher auserkoren worden. Zwei Tage nach dessen Tod hatte Juan Carlos 1975 seinen Amtseid als König abgelegt. Doch entgegen den Erwartungen der Anhänger Francos trieb er dann die Demokratisierung und Modernisierung des Landes voran. Auch die spanischen Sozialisten (PSOE), die eine der tragenden Säulen der Republik (1931-1939) waren, arrangierten sich mit ihm. Im auf beiden Seiten mit größter Brutalität ausgetragenen Spanischen Bürgerkrieg hatten sie noch die Monarchisten, die sich mit Franco verbündet hatten, erbittert bekämpft.

Verlust der Immunität

Bei den Kundgebungen der Antiroyalisten wurde auf Plakaten auch auf das Beispiel Alfons XIII. verwiesen. Dieser hatte 1931 einen reibungslosen Übergang von der Monarchie zur Republik ermöglicht: Als bei den damaligen Kommunalwahlen in 41 von 50 Provinzstädten Gegner der Monarchie gewannen, erkannte er die Ausrufung der Republik als Volkswillen an und ging ins Exil. Allerdings verzichtete er nie formal auf den Thron. Seinem von Franco zum Thronfolger bestimmten Enkel Juan Carlos wird heute vorgeworfen, er habe wenig zur Bewältigung der Folgen des Bürgerkriegs beigetragen, der die spanische Gesellschaft nach wie vor spaltet.

Mit der Abdankung als Staatsoberhaupt verliert Juan Carlos wohl seine politische Immunität. Königshausexperten in der Madrider Presse schließen nicht aus, dass dann ein neues Problem auf ihn zukommen könnte: Die Anwälte eines 57-jährigen Kellners aus Katalonien sowie einer 47-jährigen Hausfrau aus Belgien wollen ihn zu einem Vaterschaftstest zwingen lassen. Beide sind nach den Angaben der Anwälte laut einem DNA-Test Halbgeschwister und haben den Bourbonen als Erzeuger benannt. Ein Madrider Gericht hatte die Klage mit dem Hinweis auf die rechtliche Immunität des Königs abgewiesen.

Der frühere sozialistische Ministerpräsident José Luis Zapatero erklärte, er erwarte von Felipe Anstöße zur Modernisierung der Gesellschaft und der Bewältigung der Vergangenheit. Zapatero hatte in seiner Amtszeit (2004-2011) versucht, eine staatliche Aufarbeitung der Folgen des Bürgerkriegs einzuleiten, war dabei aber auf heftigen Widerstand der konservativen Volkspartei (PP) unter Mariano Rajoy sowie der katholischen Kirche gestoßen.

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